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Hexenverfolgung
#6
Verbreitung der Hexenidee in Flugblättern und Flugschriften

Die Flugblatt- und Flugschriftenpublizistik stellte in der frühen Neuzeit das wesentliche Medium der Massenkommunikation dar. Gleichzeitig war sie der Beginn der Massenkommunikation überhaupt, denn erst die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Bleilettern im 15. Jahrhundert, die es möglich machte, hohe Auflagen einer Schrift herzustellen, hatte die Publizistik in die Lage versetzt, einen größeren Leserkreis zu erreichen.

Zuvor, in der Antike und im Mittelalter, hatte es zwar auch schon Schriften, vorwiegend Briefe, gegeben, die zum Zwecken der Meinungsbildung veröffentlicht wurden, doch kann man hier nicht von einer weiteren Verbreitung in der Bevölkerung ausgehen.

Der Höhepunkt der Flugschriftenpublizistik lag, sowohl was ihre Herstellung als auch was ihre Verbreitung angeht, in der Zeit zwischen 1550 und 1650, allerdings entstanden ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts die Zeitungen, die als Konkurrenzmedien zunehmende Bedeutung erlangten.

Um festzustellen, wodurch sich das Flugblatt und die Flugschrift von anderen Druckerzeugnissen unterscheidet, kann man sowohl formale als auch inhaltliche Aspekte anführen. Formal besteht das Flugblatt (die Bezeichnung entspricht dem französischen `feuille volante`) aus einem einzigen, einseitig bedruckten Blatt, das sehr häufig mit einem Holzschnitt illustriert ist; Bild und Text bilden dabei eine Einheit. Die Flugschrift besteht dagegen aus mehreren Blättern, sie enthält zum Teil ebenfalls Illustrationen, meist auf dem Titelblatt. Was den Inhalt der Flugschriftenpublizistik angeht, muß festgehalten werden, daß sie weniger die Vermittlung von reinen Informationen als vielmehr die öffentliche Meinungsbildung zum Ziel hat, meist ist sie propagandistisch und agitatorisch. Die Bezeichnung `Zeitung` oder `Neue Zeitung`, die man im 16. und 17. Jahrhundert auf vielen Flugblättern findet, stimmt nicht mit der modernen Bedeutung dieses Wortes überein, sondern bedeutet schlicht `Nachricht`.

Das Flugblatt wurde in der frühen Neuzeit nicht frei verteilt, sondern verkauft; es stellte also eine Handelsware dar, die zwar sehr viel billiger als andere Druckerzeugnisse, aber trotzdem nur für einen relativ wohlhabenden Teil der Bevölkerung, vor allem in den Städten, erschwinglich war. Man kann aber dennoch davon ausgehen, daß das Flugblatt viele Leser erreicht hat. Da der größte Teil der Flugblätter in deutscher Sprache abgefaßt war, nur 10 bis 15 Prozent der Schriften erschienen auf Latein, waren sie auch für weniger gebildete Rezipienten verständlich. Selbst Analphabeten - und dazu gehörte schließlich der größte Teil der Bevölkerung - können zum Publikum gerechnet werden, denn die oftmals sehr aussagekräftigen Illustrationen, die der frühneuzeitliche Mensch sicher sehr viel besser `lesen` konnte als der heutige Betrachter, da er mit der Bildformel vertraut war, und die Tatsache, daß die knappen Texte meist vorgelesen oder nach bekannten Melodien gesungen wurden, machten auch für ihn den Inhalt des Flugblattes zugänglich.

In der Flugschriftenpublizistik der frühen Neuzeit spiegelten sich alle wichtigen Ereignisse der Zeit wieder, gerade auch die religiösen Auseinandersetzungen, und so ist es nicht überraschend, daß die Hexenproblematik in den Flugblättern bzw. Schriften thematisiert wurde. Aus dem deutschen Sprachraum sind zwar nur etwa 120 Exemplare solcher Schriften, die sich mit der Hexenverfolgung auseinandersetzen, überliefert, doch dürften es sehr viel mehr gewesen sein.

Schon aus der Zeit der ersten bekannten größeren Verfolgung im südwestdeutschen Raum, die im Jahre 1563 in Wiesensteig stattfand, existiert eine solche `Zeitung`, und als nach 1570 die Hexenprozesse in Südwestdeutschland rapide zunahmen, entstanden sogar eine ganze Anzahl dieser Flugschriften.

Die Druckerzeugnisse berichteten von Hexenverfolgungen und Prozessen aus der näheren und weiteren Umgebung, allerdings nicht auf neutral berichtende Art und Weise - wie bei dem Medium `Flugblatt` ja auch nicht zu erwarten - , sondern affirmativ und aufwieglerisch. Grundsätzlich wurden die Verfolgungen unterstützt und das Publikum dazu aufgerufen, ebenfalls hart gegen `Hexen` vorzugehen. Eine kritische Einstellung findet sich nie, statt dessen werden die angeblichen Greueltaten der Verurteilten aufgezählt, die aus den bei der Hinrichtung verlesenen Geständnissen stammen.

Wolfgang Behringer beschreibt dieses Vorgehen folgendermaßen: "Ungeheuerliches (Teufelspack), Sex (Teufelsbuhlschaft, Unzucht auf dem Hexens*batt), Verbrechen (Schadenzauber etc.) hieß die zukunftsträchtige Mischung, wobei auch damals schon das genüßliche Ausmahlen der Einzelheiten des Verbrechens mit dem pharisäerhaften Ruf nach harter Bestrafung Hand in Hand gegangen zu sein schien - nicht zuletzt auch im Interesse des Geschäfts: je blutiger die Hinrichtung, desto größer der Sensationswert." So kommt Behringer dann auch zu folgendem Vergleich: "... diese in jeder Hinsicht billigen Erzeugnisse stellen in fast allen wesentlichen Punkten die Vorläufer moderner Boulevard-Bildzeitungen dar.
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Hexenverfolgung - von Abnoba - 27.04.12005, 21:39
RE: Hexenverfolgung - von Paganlord - 08.03.12012, 14:38
RE: Hexenverfolgung - von Wolf - 08.03.12012, 15:49
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RE: Hexenverfolgung - von Paganlord - 30.09.12020, 17:06
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Hexenverfolgung - von Abnoba - 28.04.12005, 11:47
Hexenverfolgung - von Abnoba - 28.04.12005, 12:00
[Kein Betreff] - von Alexis - 28.04.12005, 12:23
Hexenverfolgung - von Alexis - 28.04.12005, 12:59
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RE: Hexenverfolgung - von Sky - 27.10.12007, 16:19
[Kein Betreff] - von Gast_Gast - 27.10.12007, 16:28
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Re: Hexenverfolgung - von anicca - 18.11.12008, 08:34
Re: Hexenverfolgung - von Wishmaster - 18.11.12008, 09:39
Re: Hexenverfolgung - von anicca - 18.11.12008, 10:18
Re: Hexenverfolgung - von Alexis - 30.03.12010, 11:02
Re: Hexenverfolgung - von Alexis - 30.03.12010, 11:05
Re: Hexenverfolgung - von Alexis - 30.03.12010, 11:07
Re: Hexenverfolgung - von Alexis - 30.03.12010, 11:10
Re: Hexenverfolgung - von Alexis - 30.03.12010, 11:12

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