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Unter Freunden
#1
Ein bissel spät, aber trotzdem noch schön Fettes Grinsen :

Unter Freunden

Von Michael Müller

Tja, Freunde und Nachbarn, so langsam neigt sich die WM-Vorrunde ihrem Ende entgegen und ich hatte eigentlich gehofft, mich anlässlich des heute fälligen Besinnungsaufsatzes endlich einmal mit den wirklich wichtigen Themen rund um das runde Leder beschäftigen zu können.

Beispielsweise plagt mich seit rund zwei Wochen die Frage, ob es einen spezifischen Verhaltenskodex gibt, zu dem man sich bekennen muss, so man denn ein Nationalfähnchen am Autofenster hisst. Also beispielsweise ob man den Kopf schief legen und unterwürfig kriechen muss, wenn einem ein anderer Autofahrer begegnet, der zwei, drei oder gar vier Fähnchen flattern lässt? Grüßt man den entgegenkommenden Autofahrer, der die Flagge derselben Nation aufgeheißt hat? Muss man die Dinger auf Halbmast setzen, wenn Ballacks Wade sich abermals verhärtet oder unsere Jungs aus dem Wettbewerb fliegen? Und wenn einer die falsche Flagge führt - wird er dann an der Rahnock aufgeknüpft? Oder wenigstens kielgeholt? Fragen über Fragen, die ich heute gern ergründet hätte.

Und dann so was: Deutschlands Elf wird Gruppensieger, gewinnt alle drei Spiele und zeigt bereits in der Vorrunde Erfolge und Spielfreude, auf die man seit Generationen nicht mehr zu hoffen gewagt hätte. Das hätten Sie mal sehen sollen: Nach dem Sieg über Ecuador gab es nationale Wallungen wie man sie seit der Machtergreifung nicht mehr kannte. Auf Düsseldorfs Heinrich-Heine-Allee fand ein Autokorso mit Hupkonzert statt, das jeder Beschreibung spottete - aber darüber soll sich gefälligst Peter Handke Gedanken machen.

Wie gesagt: Es hätte so schön werden können. Besinnliches, Tiefschürfendes, hauchzarte Formulierungen und alles strotzend vor lauter feinsinniger Ironie. Aber dann mussten Klose und Podolski die drei Tore gegen Ecuador schießen - Sie ahnen ja gar nicht, was Sie verpassen.

Apropos Podolski:

Vielleicht haben Sie das ja mitbekommen: Der Lukas ist stinksauer, weil er sich verarscht fühlt. Und zwar vom Westdeutschen Rundfunk (bisweilen auch zärtlich WDR genannt). Diese öffentlich-rechtliche Sendeanstalt versendet nämlich seit dem Beginn der Fußball-WM täglich eine "Comedy" mit dem Titel "Lukas' Tagebuch". Sendeplatz der Veranstaltung ist die "Junge Welle" des WDR namens "Eins Live". Das ist gewissermaßen das offizielle Organ der Jungen Pioniere der gerade heranwachsenden deutschen Frohsinns-Generation.

Das ist übrigens nicht besonders neu. Das Format wurde bereits während des Confederation Cup ausgestrahlt, wurde damals aber - so die Recherchen des Kölner Stadtanzeigers - auf Intervention von Podolskis Manager Kon Schramm abgesetzt. Zuvor habe es allerdings "erbitterte Diskussionen innerhalb der Redaktion" gegeben, wie das Blatt erfuhr.

Diesmal geht's allerdings mit deutlich härteren Bandagen zur Sache. Wie die Rheinische Post online in Erfahrung brachte, hat Poldi den Berliner Medienanwalt Ch**stian Schertz eingeschaltet, um eine Unterlassungsklage einzureichen. Und weil das wohl allein noch nicht ausreicht, rannte das Poldi-Team zur Bild- "Zeitung", um seinem Ärger Luft zu machen.

So erfuhr das dünne Blatt mit den dicken Buchstaben aus dem leibhaftigen Mund des 21-jährigen Sturm- Stars: "So muss ich mich nicht beleidigen lassen. Ich rede nicht mit der ARD, solange das Ding nicht aus dem Programm verschwunden ist."
Ey.

Und auch Manager Kon Schramm munkelte: "Wir haben rechtliche Schritte eingeleitet."

Nun gut, dass jemand, der von seinen Eltern mit dem Vornamen "Kon" bedacht wurde und dem folgerichtig sämtliche Billig-Gags mit der Pointe "radlos" so weit aus dem Hals hängen müssen, dass es für die nächsten drei Eiszeiten reichen dürfte, nicht sonderlich gut auf deutsche Comedy zu sprechen ist - das kann man nachvollziehen.

Was aber treibt unsern Poldi so um? Was bringt den begnadeten Angreifer derart auf die Palme, dass er dem ARD Hörfunk jedes Interview verweigert? Schließlich gilt er doch "gemeinhin als lockerer Typ, der immer für einen Scherz zu haben ist" - wie das Handelsblatt konstatierte.

Ich unterstelle mal, dass es Ihnen ähnlich geht wie mir: Das Leben ist einfach zu kurz, um die Comedy-Formate auf "Eins Live" zu verfolgen. Daher ist dem Kölner Stadtanzeiger zu danken, dass er einen Auszug aus "Lukas' Tagebuch" abdruckte:

Liebes Tagesbuch, heute haben Totti Frings und Balle, also Michi Ballack, versucht, dem Klinsi am Pool mit einem nassen Handtuch auf den Arsch zu klatschen. Ich hab ein bisschen an meinem Mofa rumgeschraubt, und Philipp Lahm und Miro Klose haben Postkarten geschrieben, die Streber.

Ich denke, das dürfte reichen.

Nun fragt man sich natürlich, wie die Gegenseite - also der WDR - reagiert.

Hier gilt es zunächst mal, den nimmermüden Eifer der Bild-"Reporter" zu loben. Die machten nämlich den Autor und Stimmen-Imitator Jan Rainer Böhmermann (32) ausfindig, der für die Texte verantwortlich zeichnet. Dessen Kommentar ist deutlich vorhersehbarer als seine Pointen: "Ich hatte nie die Absicht Poldi zu beleidigen. Wenn er sich angegriffen fühlt, tut mir das aufrichtig leid."

Klartext: Wer hätte je damit gerechnet, dass der das überhaupt versteht? Nullacht Fuffzehn also: "Sire, was kann ich dafür, dass Ihre Gemahlin sich insultiert fühlt, so ich sie ein aufgeblas'nes Warzenschwein heiße?" Das fand schon Lessing nicht sonderlich originell.

Aber der WDR gilt unter Kennern gemeinhin als größte Sendeanstalt Europas und hat logischerweise noch andere Kaliber aufzufahren.

Da wäre zunächst mal Sabine Töpperwien, die Sportchefin von WDR zwei und Leiterin des ARD-WM-Hörfunkteams, die flugs erklärte: "Comedy ist eine Facette unserer journalistischen Arbeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie zeugt von besonderer Wertschätzung Podolskis, die nach allen Erfahrungen noch seinen Bekanntheitsgrad und seine Sympathiewerte erhöht. Das bestätigen auch die vielen positiven Rückmeldungen der Hörerinnen und Hörer."

Das mit der "Facette der journalistischen Arbeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk" hat mich - ehrlich gesagt - schwer beeindruckt. Vielleicht darf ich doch noch mal den Kölner Stadtanzeiger anführen, der aus "Lukas' Tagebuch" wie folgt zitiert:

Und zur Strafe, dass Poldi und Schweini nachts im Hotel unter der Bettdecke "Nationalhymne pupsen" geübt haben, hat Klinsi beide zum Küchendienst verdonnert.

Ohne Scheiß: Ich freu mich schon richtig auf den nächsten Besuch eines
GEZ-Häschers, der mir plausibel machen will, dass meine Rundfunkgebühren die Freiheit der Meinungsäußerung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk garantieren.

Und damit die Frau Töpperwien nicht so allein auf weiter Flur steht, sprang ihr flugs die Frau Piel zur Seite. Monika Piel ist WDR-Hörfunkdirektorin und betonte - laut ddp - Comedy sei ein "gängiges und anerkanntes Stilmittel" in den Programmen des Senders. Diese Sendeformen hätten "selbstverständlich nicht den Zweck, die persiflierten Personen zu verunglimpfen, sie herabzusetzen oder ihre Persönlichkeitsrechte zu verletzen". Der WDR lasse sich seine journalistische Arbeit nicht einschränken und werde die Comedy über Podolski weiterführen.

Ich weiß ja nicht, ob die Frau Piel auch Hausbesuche macht, aber wenn sie es einrichten könnte, wäre ich furchtbar dankbar, wenn sie mir angelegentlich erklären könnte, wie man einen Lukas Podolski denn bitteschön verglimpft.

Das letzte Wort haben auch beim WDR natürlich die Juristen. Laut einer Pressemeldung des Senders erklärten diese, gerade bei einem jugendlich orientierten Programm wie Eins Live finde "die karikierende und humoristische Ansprache Prominenter aus Sport und Politik hohe positive Resonanz". Dabei befinde sich Podolski "in prominenter Gesellschaft mit Angela Merkel,
Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder oder Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, die der Hörfunksatire durchaus ihre popularitätssteigernde Wirkung abnehmen und souverän damit umgehen".

Tja, Freunde und Nachbarn, dazu fällt auch mir nicht mehr viel ein.

Vielleicht noch so viel: Wenn wir bei Schandmännchen (Anm. Das ist die Satirenquelle) beispielsweise Ekki von Klaeden oder Andrea "Juckreiz" Nahles mit schöner Regelmäßigkeit als Nervbolzen erster Güte darstellen - dann NICHT weil es uns darum zu tun ist, deren Popularität zu steigern, sondern weil wir das tatsächlich meinen.

Aber wir werden ja auch nicht öffentlich-rechtlich finanziert.
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#2
Keinen Vorwurf an Podolski, er sollte jedoch zukünftig beim Abspielen der Hymne wenigstens so tun, als würde er mitsingen!

Kein besserer Freund – kein schlimmerer Feind!
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