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Rund um den Machandelboom (Wacholder)
#1
Die Geschichte vom Machandelboom ist die plattdeutsche Version von Schneewittchen:

Das ist nun lange her, wohl an die zweitausend Jahre, da war einmal ein reicher Mann, der hatte eine schöne Frau, und sie hatten sich beide sehr lieb, hatten aber keine Kinder. Sie wünschten sich aber sehr welche, aber sie kriegten und kriegten keine. Vor ihrem Hause war ein Hof, darauf stand ein Machandelbaum. Unter dem stand die Frau einstmals im Winter und schälte sich einen Apfel, und als sie sich den Apfel so schälte, da schnitt sie sich in den Finger, und das Blut fiel in den Schnee. "Ach," sagte die Frau und seufzte so recht tief auf, und sah das Blut vor sich an, und war so recht wehmütig: "Hätte ich doch ein Kind, so rot wie Blut und so weiss wie Schnee." Und als sie das sagte, da wurde ihr so recht fröhlich zumute: Ihr war so recht, als sollte es etwas werden.

Das heiße, rote Blut und der kalte, weiße Schnee stellen die gegensätzlichen Kräfte dar, die notwendig sind, damit etwas Neues entstehen kann.
Hier fühlt man sich sogleich an das glühend heiße Muspelheim und das eisig kalte Nifflheim erinnert, zwischen denen in der Kluft der Klüfte, Ginnunga Gap, im Dampf, im Zischen und Brodeln die Urriesen geformt werden.

Warum aber geschieht die Symbiose aus Blut und Schnee ausgerechnet unter einem Wacholder, dem Machandelboom? Das Holz dieses Baumes war in Phasen der Feuerbestattung das bevorzugte Material für die Totenverbrennung.
In Bayern wird der Wacholder auch Kranewitt genannt. Krano=Kranich, witu=Holz. Der Kranich gilt als Bote der Muttergöttin.
Die archaischen Elemente der Geschichte sind noch viel älter als dieses Märchen. Es wurde von einem Jungen erzählt, der zerstückelt und verzehrt wird; die weinende Schwester sammelt seine Knochen und legt sie unter den Wacholder. Der Busch beginnt zu brennen, und ein Kiebitz steigt aus dem Rauch.

Wahrscheinlich haben wir es hier mit der Beschreibung einer Transformation zu tun.

Wie der Holunder gilt auch der Wacholder als Schwelle zur Anderswelt.
So legte die Mutter eines kränkelnden Kindes etwas Wolle und Brot unter den Wacholder und sprach:

Ihr Hollen und Hollinnen,
hier bringe ich euch etwas zu spinnen und zu essen,
und meines Kindes zu vergessen.

... wird fortgesetzt.
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Es bedanken sich:
#2
Wie die Eibe gehörte der Wacholder zu den dunklen Todesbäumen, doch führte er nicht direkt in die Welt des Schattens, sondern konnte eine Umkehr hervorrufen. Der Wacholder war der europäische Totembaum und beinhaltete eine Kraft, die auch aus seinen Namen hervorgeht: Quickholder, Queckholder, Weckholder, Wacholder. Ein Wach-Halter, Lebendig-Macher, der die Sterbenden am Leben zu halten vermag. Er galt als Pestmittel, als Zauberabwehr und Gegenzauber, mit ihm räucherte man die Räume von Kranken. Seine stark desinfizierende Wirkung war bekannt; berühmt wurde er als „Baum-Apotheke“: keimtötend, abwehrsteigernd, das Kauen von Wacholderbeeren schützt vor grippalen Ansteckungen, bewährt hat er sich auch bei Lungenkrankheiten, Bronchitis, Erkältung, zur Ausleitung. So hilft er auch gegen Rheuma, Gicht, Arthrose, Hauterkrankungen und Wassersucht; zudem bei Harnverhalten und Steinleiden, bei Magen- und Darmproblemen. Einzig bei entzündlichen Nierenerkrankungen und in der Schwangerschaft soll er gemieden werden, da Schädigungen entstehen können.

Wacholder/Sadebaum als Abtreibungsmittel:
Die Pflanze war bereits Plinius (23-79 n.d.Z.) und Dioskurides (40-90 n.d.Z.) als Abtreibungsmitttel bekannt, fand auch im 'Capitulare de vilis' und bei Hildegard von Bingen Erwähnung und wurde mindestens bis in die frühe Neuzeit als Abortivum genutzt. Wenn in einem Dorf früher ein Sadebaum stand, war dies ein sicheres Zeichen, dass hier eine Engelmacherin wohnte. GESCHICHTE: Dioskurides schreibt über die jungen Blätter des 'Sevenbaumes': "ziehen die Geburt herauß / zum Frawen Zäpflin gemacht unnd von unten beygebracht". Gemeint ist die Nachgeburt; denn diese muss sich lösen, weil ansonsten Frauen bei der Geburt versterben. Bock erwähnt in seinem Kräuterbuch, dass die 'Pfaffen pflegen auf dem Palmsonntag den Sevenbaum mit anderen grünen Gewächsen zu weihen' (Palmenweihe zur Abwehr böser Geister von Haus und Hof). Hildegard von Bingen emphielt ihn gegen Geschwüre, Würmer und bei Lungenleiden. INHALTSSTOFFE: Juniperus sabina enthält 3-5% toxisches, ätherisches Öl, das zu 50% aus Sabinol besteht. Sabinol wiederum hat eine ähnliche Struktur wie Thujol und gehört zu den meistgebrauchten Abtreibungsdrogen.

Der Sadebaum wurde auch Kindstod genannt: 'Die alten Hexen und Wettermacherinnen üben damit vil zauberey und abenthewer, verfüren darmit die jungen huren / geben inen Sevenbaumschüßling gepulvert ... dadurch vil kinder verderbt werden.'
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Es bedanken sich: Lohe


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