Tal der weisen Narren

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nguyen

Ich sehe hierin eine Art Anleitung zur Neutralität von einem Angehörigen der Zen-Philosophie - und halte einiges darin für sehr hilfreich. Wichtige Emotionale Stolperfallen werden genannt, mit buddhistischer Religion wird aufgeräumt und insbesondere das dualistische Denken abgelehnt - aber auch deutlich gemacht, dass Neutralität nicht die verneinung des Lebens bedeutet.



Das Lied vom Wurzelgeist

Ungeboren und unvergänglich
ist der Geist der Quelle.
Erde, Feuer, Wasser und Wind
nur eine Absteige über Nacht.

Angekettet an dieses
vergängliche brennende Haus,
entzündest du selbst das Feuer,
nährst die Flammen, die dich verzehren.

Kehre suchend um
zu jener Zeit,
als du zur Welt kamst:
du hast alles vergessen!

Bewahre deinen Geist so
wie er bei deiner Geburt war,
und sogleich wird dieses dein Selbst
zum Lebenden Tathâgatâ.

Ideen und Gedanken,
was gut ist, was schlecht -
sind alles nur Spuren
deines eigenen Ich.

Ein brennendes Feuer im Winter
verbreitet Wohlgefühl;
wenn der Sommer kommt -
nur lästige Hitze.

Und die liebliche
Sommerbrise -
noch vor dem Herbst
wird sie zur Plage.

Bist du zu Geld gekommen,
verachtest du die Armen.
Weißt du nicht mehr wie es war,
als du nichts zu beißen hattest?

Das Geld, dein Leben lang gesammelt,
aufgehäuft mit besessenem Geist,
siehst du mit Abscheu und Schrecken
von Hungergeistern umdrängt.

Dein Leben nicht achtend,
hast du es dem Goldhunger geopfert.
Da du dein Leben verrinnen siehst,
jetzt ist all dein Geld nutzlos.

Eitles Streben, krampfhaftes Halten -
ich hab' nichts mehr damit im Sinn.
Darum kann ich jetzt behaupten:
Die ganze Welt ist wahrhaft mein!

Deine Sehnsucht nach der Geliebten
ist nur jetzt aktuell,
sie kommt aus der Zeit,
bevor du sie kanntest.

Sich jemand ins Gedächtnis rufen
heißt: nicht vergessen können.
Niemand zu rufen heißt
niemand vergessen haben.

Blickst du in die Vergangenheit -
sie ist nur ein Abendtraum.
Hast du das erkannt,
ist alles was du siehst nur Lüge.

Wer sich erbittern läßt vom Leben
dieser Welt der treibenden Sorgen,
quält sich selbst, verstört seinen Geist
und brütet dumpf über leeren Träumen.

Da dieser treibenden Welt
letztlich keine Wirklichkeit zukommt -
statt deinen Geist an Dinge zu hängen,
lass' los, lass' los!

Wenn du an Dingen nicht hängst,
wird die treibende Welt vergehen.
Nichts bleibt übrig, leeres Nichts -
das heißt: ein lebender Buddha.

Den besessenen Geist
bringst du selbst hervor,
wenn er dich gnadenlos plagt -
schilt dich selbst und sonst niemand!

Tust du das Böse:
Dein Geist ist der Dämon.
Keine Hölle ist zu finden
außer in dir selbst.

Die Hölle verabscheuen,
den Himmel ersehnen -
so machst du dir Leiden
in einer fröhlichen Welt.

Du denkst: Gut
heißt das Böse hassen.
Böse ist nur
der hassende Geist.

Du sagst: Gut
ist das Gute tun.
Böse ist nur
der redende Geist.

Gut und Böse zusammen
rolle zu einer Kugel.
Wickle sie in Papier und
fort damit und vergessen!


Geheimnisse und Wunder
hat es nie gegeben.
Nur wenn du nicht verstehst,
siehst du seltsame Dinge.

Das ist das Trugbild,
das dich narrt,
das die Trugwelt uns
als wahr unterschiebt.

Ruf, Geld, Bauch, Schlaf und Sex -
hast du die fünf Begierden erlernt,
werden sie für dich
Wegweiser des Lebens.

Regeln des richtigen Handelns
hat es nie gegeben.
Der Kampf zwischen Gut und Böse
ist nur eine Falle des Ich.

Hast du die Lehre
der Buddhas erfaßt,
wirst du erkennen:
Du hast nichts gelernt!

Erleuchtung und Verblendung
gibt es von Anbeginn nicht.
Sie sind nur gefundene Ideen,
von deinen Eltern nie vererbt.

Wenn du denkst, der Geist,
der Erleuchtung erlangt, sei dein,
kämpfen nur Gedanken
in dir miteinander.

Ich kümm're mich nicht mehr
um Erleuchtung den ganzen Tag,
und daher kommt es:
Am Morgen wach' ich ausgeschlafen auf!

Beten um Heil in kommenden Welten,
beten für deine egoistischen Ziele,
heißt nur häufen und türmen
Anmaßung auf Ichsucht.

Müde bin ich jetzt
des Gebets nach Erlösung,
gehe ruhig meinen Weg
und lasse den Atem gehen.

Stirb - und dann lebe
Tag und Nacht inmitten der Welt.
Hast du das vollendet,
hältst du den Globus in der Hand.

Die Buddhas tun mir leid:
mit all ihrem Schmuck,
wie müssen sie geblendet sein
von diesem Glanz!

Zu früh für dich,
Buddha im Schrein zu sein,
lieber ein Wächterdämon
draußen vor dem Tor!

Suchst du im Reinen Land
nur deinen Lohn,
schämst du dich nicht
vor dem Buddha dann?

Niemand hat Feinde,
nicht bei der Geburt.
Du schaffst sie dir selbst
im Streit um Gut und Schlecht.

Ursache und Wirkung sind klar erkennbar.
Verblendet wirst du und weißt doch nicht:
Du allein hast dir selbst das angetan -
Das nennt man Ichbezogenheit.

Großgeworden in der Welt der Bedingtheit,
großgeworden in der Welt der Vergänglichkeit;
mit solcher Verblendung
bist du nur der Verlierer!

Der nicht-bedingte Geist
ist ursprünglich ungeboren.
Das Bedingte hat kein Sein,
darum gibt es keine Verblendung.

Mögen die Jahre vergehen,
der Geist wird nicht älter:
der Geist, der sich
selbst immer gleich bleibt.

Beispiellos, wunderbar!
Du hast gesucht und gefunden
den, der nie alt wird:
Ich allein!

Das Reine Land,
wo man friedlich zu Rate geht,
ist hier und jetzt, nicht entfernt
Millionen von Meilen.

Wer dir eine Teeschale zuwirft -
fang' sie!
Fang sie flink mit weichem Tuch,
dem Stoff deines wachen Geistes!


Quelle: Zen - ein Lesebuch