07.11.12006, 22:23
Die Europäische Union.
Viel gescholten wird sie – doch warum eigentlich?
Ihr verdanken wir schließlich 60 Jahre Frieden, und daß wir nur noch von besten Freunden umgeben sind. Ihr verdanken wir den Wegfall nerviger Grenzkontrollen und den lästigen Geldumtausch, der uns früher die Reisen in viele Länder verleidet hat. Ihr verdanken wir, daß Europa immer größer wird und sogar Kleinasien bald dazugehört. Ihr verdanken wir, daß Polen und Tschechen uns immer mehr von unserer lästigen Arbeit abnehmen. Ihr verdanken wir, daß unsere überschüssig Steuermilliarden endlich sinnvoll eingesetzt werden, z. B. in den Ausbau der spanischen Infrastruktur oder zur Förderung französischer Bauern. Und überhaupt wußten die Franzosen doch schon immer am besten, was gut für uns ist, oder? Nicht umsonst hat doch neulich so ein Berliner Trachtenverein den Einzug Napoleons in unsere Hauptstadt vor 200 Jahren nachgefeiert. Napoleon haben wir immerhin das Bürgerliche Gesetzbuch zu verdanken (stand jedenfalls mal im »Stern«, oder so), und schon deswegen kann der kein schlechter Mann gewesen sein, der Napoleon... Totale Niederlagen heißen ja heute auch Befreiung, das klingt schließlich viel schöner, ne?
Aber ich schweife ab...
Denn der eigentliche Grund für mein Loblied auf Europa ist ein anderer. Die Brüsseler Beamten, von weniger dankbaren Menschen auch abfällig »Eurokraten« genannt, die Tag und Nacht darüber sinnen, wie sie noch mehr zum Wohle ihrer Untertanen beitragen können, sorgen sich nämlich auch um unsere Sicherheit. Insbesondere die Sicherheit im Luftverkehr!
Als es sich da dieses Jahr begeben hatte, daß einige böse Terroristen mit Hilfe von flüssigen Substanzen einige Verkehrsflugzeuge sprengen wollten, konnte die heroische britische Polizei das vereiteln. In Brüssel erkannten man aber sofort: Andere europäische Länder verfügen vielleicht über eine weniger gute Polizei als das Vereinigte Königreich und haben keine Fantastilliarden Überwachungskameras. Also mußte eine neue Richtlinie her! Und diese trat dann gestern endlich in Kraft: »Neue Sicherheitsbestimmungen für Handgepäck« - seit dem 6. November dürfen Flugreisende, die in der EU starten, praktisch keine Flüssigkeiten mehr im Handgepäck mit sich führen.
Wie der Zufall es so wollte, hatte ich heute seit längerer Zeit mal wieder das Vergnügen, eine Flugreise unternehmen zu dürfen. Vor dem Rückflug nach Hause war noch etwas Zeit, und so vermochte ich einen Supermarkt aufzusuchen und für das Abendessen einzukaufen. Als gewissenhafter, wohlinformierter EU-Bürger verzichtete ich bei diesem Einkauf selbstverständlich auf Getränke. Doch als bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen nach langer Wartezeit die Angestellte endlich auch mein Handgepäck durchleuchtete, verfinsterte sich ihr Blick umgehend, und sie fuhr das Band leicht hin und her. Die Sicherheitskollegin am anderen Ende deutete auf ihrem Bildschirm auf einen Gegenstand in meinem Handgepäck: »Was ist das?! Machen Sie mal auf!« Beschämt öffnete ich meinen Rucksack, denn ich hatte bereits erkannt, daß es sich bei dem ominösen Gegenstand um das frisch erworbene Glas Nuß-Nougat-Creme handelte. »Nuß-Nougat-Creme ist verboten, das steht auch auf unserer Liste.« Ich reagierte bestürzt. Auch das Frischesiegel und die Quittung des Supermarktes halfen nichts. Ich konnte nur noch wählen – Beschlagnahme oder Aufgabe des Handgepäcks. Das Sicherheitspersonal zeigte Verständnis für meine Bestürzung. »Wir werden bepöbelt und beschimpft. Wir haben uns das doch nicht ausgedacht...« Man bot mir an, das Gepäckstück gleich nebenan bei der Ersten Klasse abzugeben, so daß mir ein längerer Weg zurück durch den Flughafen erspart bliebe. Am Erste-Klasse-Schalter wurde ich von zwei freundlichen Damen empfangen, die mitleidig lächelten: »Na, haben Sie über 100 ml Creme oder Gel dabei? ...«
Jedoch – als ich später diesen Vorfall Revue passieren ließ, machte sich die beruhigende Gewißheit breit, daß die EU wirklich gut auf uns aufpaßt und Flugreisen jetzt endlich wirklich sicher sind. Schließlich lassen sich doch Frischesiegel und Kaufbelege von Nuß-Nougat-Cremes fälschen, und wer weiß, was für gefährliche dunkelbraune Substanzen man noch in solche Gläser füllen kann. Al Kaida hat schließlich viele Mittel und Wege, aber dieser Weg ist jetzt auch endlich verschlossen, dank unserer EU.
Endlich wirklich sichere Flugreisen. Ich finde, das ist eine tolle Sache!
Eiche
Viel gescholten wird sie – doch warum eigentlich?
Ihr verdanken wir schließlich 60 Jahre Frieden, und daß wir nur noch von besten Freunden umgeben sind. Ihr verdanken wir den Wegfall nerviger Grenzkontrollen und den lästigen Geldumtausch, der uns früher die Reisen in viele Länder verleidet hat. Ihr verdanken wir, daß Europa immer größer wird und sogar Kleinasien bald dazugehört. Ihr verdanken wir, daß Polen und Tschechen uns immer mehr von unserer lästigen Arbeit abnehmen. Ihr verdanken wir, daß unsere überschüssig Steuermilliarden endlich sinnvoll eingesetzt werden, z. B. in den Ausbau der spanischen Infrastruktur oder zur Förderung französischer Bauern. Und überhaupt wußten die Franzosen doch schon immer am besten, was gut für uns ist, oder? Nicht umsonst hat doch neulich so ein Berliner Trachtenverein den Einzug Napoleons in unsere Hauptstadt vor 200 Jahren nachgefeiert. Napoleon haben wir immerhin das Bürgerliche Gesetzbuch zu verdanken (stand jedenfalls mal im »Stern«, oder so), und schon deswegen kann der kein schlechter Mann gewesen sein, der Napoleon... Totale Niederlagen heißen ja heute auch Befreiung, das klingt schließlich viel schöner, ne?
Aber ich schweife ab...
Denn der eigentliche Grund für mein Loblied auf Europa ist ein anderer. Die Brüsseler Beamten, von weniger dankbaren Menschen auch abfällig »Eurokraten« genannt, die Tag und Nacht darüber sinnen, wie sie noch mehr zum Wohle ihrer Untertanen beitragen können, sorgen sich nämlich auch um unsere Sicherheit. Insbesondere die Sicherheit im Luftverkehr!
Als es sich da dieses Jahr begeben hatte, daß einige böse Terroristen mit Hilfe von flüssigen Substanzen einige Verkehrsflugzeuge sprengen wollten, konnte die heroische britische Polizei das vereiteln. In Brüssel erkannten man aber sofort: Andere europäische Länder verfügen vielleicht über eine weniger gute Polizei als das Vereinigte Königreich und haben keine Fantastilliarden Überwachungskameras. Also mußte eine neue Richtlinie her! Und diese trat dann gestern endlich in Kraft: »Neue Sicherheitsbestimmungen für Handgepäck« - seit dem 6. November dürfen Flugreisende, die in der EU starten, praktisch keine Flüssigkeiten mehr im Handgepäck mit sich führen.
Wie der Zufall es so wollte, hatte ich heute seit längerer Zeit mal wieder das Vergnügen, eine Flugreise unternehmen zu dürfen. Vor dem Rückflug nach Hause war noch etwas Zeit, und so vermochte ich einen Supermarkt aufzusuchen und für das Abendessen einzukaufen. Als gewissenhafter, wohlinformierter EU-Bürger verzichtete ich bei diesem Einkauf selbstverständlich auf Getränke. Doch als bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen nach langer Wartezeit die Angestellte endlich auch mein Handgepäck durchleuchtete, verfinsterte sich ihr Blick umgehend, und sie fuhr das Band leicht hin und her. Die Sicherheitskollegin am anderen Ende deutete auf ihrem Bildschirm auf einen Gegenstand in meinem Handgepäck: »Was ist das?! Machen Sie mal auf!« Beschämt öffnete ich meinen Rucksack, denn ich hatte bereits erkannt, daß es sich bei dem ominösen Gegenstand um das frisch erworbene Glas Nuß-Nougat-Creme handelte. »Nuß-Nougat-Creme ist verboten, das steht auch auf unserer Liste.« Ich reagierte bestürzt. Auch das Frischesiegel und die Quittung des Supermarktes halfen nichts. Ich konnte nur noch wählen – Beschlagnahme oder Aufgabe des Handgepäcks. Das Sicherheitspersonal zeigte Verständnis für meine Bestürzung. »Wir werden bepöbelt und beschimpft. Wir haben uns das doch nicht ausgedacht...« Man bot mir an, das Gepäckstück gleich nebenan bei der Ersten Klasse abzugeben, so daß mir ein längerer Weg zurück durch den Flughafen erspart bliebe. Am Erste-Klasse-Schalter wurde ich von zwei freundlichen Damen empfangen, die mitleidig lächelten: »Na, haben Sie über 100 ml Creme oder Gel dabei? ...«
Jedoch – als ich später diesen Vorfall Revue passieren ließ, machte sich die beruhigende Gewißheit breit, daß die EU wirklich gut auf uns aufpaßt und Flugreisen jetzt endlich wirklich sicher sind. Schließlich lassen sich doch Frischesiegel und Kaufbelege von Nuß-Nougat-Cremes fälschen, und wer weiß, was für gefährliche dunkelbraune Substanzen man noch in solche Gläser füllen kann. Al Kaida hat schließlich viele Mittel und Wege, aber dieser Weg ist jetzt auch endlich verschlossen, dank unserer EU.
Endlich wirklich sichere Flugreisen. Ich finde, das ist eine tolle Sache!
Eiche