Tal der weisen Narren

Normale Version: Día Sóach
Du siehst gerade eine vereinfachte Darstellung unserer Inhalte. Normale Ansicht mit richtiger Formatierung.

Abnoba

Día Sóach - Die große Gestaltwandlerin

Die Morrigan und verwandte Gestalten in der west- und nordeuropäischen Mythenwelt


In der mittelalterlichen irischen Literatur taucht Mórrigan, die Kriegsgöttin in Rabengestalt, sehr häufig auf, und zwar sowohl als Einzelperson als auch in einer Dreiheit mit verschiedenen Namen.
In den großen Sagen, dem Ulster-Zyklus und dem Mythologischen Zyklus, erscheint sie in vielfach wechselnder Gestalt. Der bekannteste Sagenheld, der mythische Krieger CuChulainn begegnet ihr mehrmals an entscheidenden Punkten in seinem Leben. Mal erscheint sie als attraktive junge Frau, und als Rache für seine Ablehnung greift sie ihn in Tiergestalt, als Aal, Wölfin und Kuh an. Dann wieder ist sie ein hässliches Weib, das ihn mit Spott überschüttet und als Rabe davonfliegt, oder die düstere Wäscherin blutiger Kleidungsstücke im Fluss, die dem Helden seinen baldigen Tod prophezeit, und nachdem er auf dem Schlachtfeld getötet worden ist, läßt sie sich wiederum als Krähe auf seinem Körper nieder, um ihm das Fleisch von den Knochen zu nagen.

Mórrigan gehört in diesen Erzählungen zu den Thutha de Danaan, den `Kindern der Dana`, die in mythischer Vorzeit Irland besiedelten und die dort lebenden älteren Stämme der Firbolg und Fomorians verdrängten.

In der Sage über Cath Muige Tuired Cunga, die erste Schlacht von Moytura, wird vom Kampf zwischen den Thuatha de Danaan und den älteren Inselbewohnern der Firbolg erzählt. Hier findet sich eine eindrucksvolle Beschreibung, wie Morrigan, Macha und Badb ihre Gegner angreifen, mit "Schauern der Hexerei, mit Wolken voll strömendem Regen und Nebel und mächtigen Schauern aus Feuer, und ein Strom aus rotem Blut ergoss sich aus dem Himmel auf die Köpfe der Krieger;
drei Tage und drei Nächte lang hinderten sie so die Firbolg, sich zurückzuziehen oder zu fliehen." An einer anderen Stelle der gleichen Sage prophezeit der Dichter Fathach den Firbolg, "die rote Badb" werde dankbar sein für das Ergebnis des Kampfes, die vielen toten Körper auf dem Schlachtfeld.

Viele weitere Textstellen in dieser und anderen Sagen beschwören ähnliche Bilder herauf, und daraus ergibt sich das Bild von schreckenerregenden weiblichen Geisterwesen, die während oder auch vor einer Schlacht durch Lärmen, Kreischen und magische Mittel die Gegner in Angst versetzen, und sich hinterher an den Leichen der gefallenen Krieger gütlich tun.
Ihr Verhalten muß nicht immer gegen die menschlichen Kämpfer gerichtet sein, sondern scheint manchmal einfach die Gewalttätigkeit und den Horror der beschriebenen Situation zu spiegeln. Im Bericht über den zweiten Tag der Schlacht von Moytura heißt es: "Die Badba und Ungeheuer und Hexen des Unheils kreischten, so dass ihre Stimmen von den Klippen und Wasserfällen und aus den Höhlen des Erdinneren widerhallten".

Wer oder was diese Gestalten genau sind, erfahren wir aus den Sagen, die im übrigen nicht authentisch heidnisch sind, sondern erst im chr*stianisierten Mittelalter aufgeschrieben wurden, nicht.
Eindeutig werden sie immer als weiblich beschrieben und benannt, wenn auch ihre genaue Gestalt oft unklar bleibt. Der Name, der im Zusammenhang mit den Schrecken des Schlachtfelds am häufigsten auftaucht, ist jedenfalls Badb, was "Krähe" bedeutet. Dies bezeichnet sowohl "normale" Vögel als auch übernatürliche Wesen. Manchmal heißt sie auch badb catha, "die Krähe der Schlacht", und in Gallien gibt es Inschriften, die auf die kultische Verehrung einer ähnlichen Kriegsgöttin Cathubodva hinweisen.
Mórrigan dagegen ist mehr ein Titel oder Sammelname für die verschiedenen Erscheinungsformen, daher heißt es auch meist die Mórrigan. Dieser Name wird als "große Königin" gedeutet (gäl. mor=groß, rigan=Königin) oder auch als "Geisterkönigin" (in diesem Fall mor von einem Wortstamm, aus dem sich auch engl. nightmare ableitet). Beide Namen tauchen in der Mehrzahl - badba und morrigna - auf, was deutlich macht, daß es sich weniger um Personen handelt, als vielmehr um eine Art magischer Erscheinungen, die sich in einem oder mehreren Wesen manifestieren. Die drei ist den Kelten sehr geläufig als "kleinste Vielheit", als Symbol für eine Mehrzahl.
Neben Badb und Mórrigan taucht in der Literatur noch Macha auf, oder es werden Badb, Macha und die seltener erwähnte Nemain insgesamt als "die Mórrigan" bezeichnet. Alle drei werden u.a. in "Banshenchas" einem Text, der Frauengestalten aus der irischen Mythologie aufzählt, als Töchter der Zauberin Ernmas bezeichnet. Jene war auch die Mutter von Banba, Fotla und Ériu, die als Verkörperung des Landes Irland gelten. Die irischen Quellen also stellen die Mórrigan-Schwestern in einen Kontex der magischen Kräfte und der Erde. Der Name Macha wird mit "Wiese" oder "Feld" übersetzt, andererseits auch mit Pferden in Verbindung gebracht. Interessanterweise haben Pferde in der keltischen Kultur ebenfalls einen starken Bezug zur Anderwelt und zum Tod. Macha taucht mehrfach in verschiedenen Sagen und Erzählungen auf, und ist von allen genannten Gestalten die "menschlichste".
Der Name Nemain ist von seiner Herkunft unklar, und wird in alten Erläuterungen sowohl mit Raben und Krähen, als auch mit Wahnsinn, Tobsucht und Wut übersetzt. Sie scheint in den Sagen auch speziell für diesen Aspekt zuständig. Mittelalterliche Gelehrte erklärten ihren Namen auch mit einem Hinweis auf neimnech=giftig.

Genaue Beschreibungen der Mórrigan lassen in den alten Epen zu wünschen übrig. Aus den Kontex geht hervor, dass die mna trogain - die "Rabenfrauen" - oder ban-tuathecha - die "Zauberinnen" - oft eine handlungsentscheidende Rolle spielten, doch anscheinend ging man davon aus, dass die Leser wußten, wie sie sich die Einzelheiten vorzustellen hatten. So wird häufig zwischen den Namen hin- und hergewechselt, oder es ist unklar, ob von normalen Rabenvögeln, Frauen oder übernatürlichen Wesen die Rede ist. Die Mórrigan erscheint und verschwindet, fliegt über dem Schlachtfeld, sitzt auf einem Zaun oder Steinen, offensichtlich in Vogelgestalt, aber ohne dass dies immer explizit erwähnt wird.

Nun sind in der heutigen esoterisch beeinflussten Beschäftigung mit früheuropäischer Religion Begriffe wie "Krieg" - oder gar Göttinnen im Zusammenhang mit Krieg - gar nicht gerne gesehen, sie werden sowohl von den romantisch-heldisch angehauchten Keltenverehrern auf Asterix-Nivau als auch von den Anhängerinnen feministischer Spiritualität gerne weitläufig umgangen.
Nichtsdestotrotz ist die Mórrigan zweifellos in der irischen Literatur vorhanden, mit all ihren Widersprüchlichkeiten und Rätselhaftigkeiten, und entsprechende Abbildungen und Anzeichen kultischer Verehrung gibt es auch in festlandkeltischen Funden.

Das Motiv der Wäscherin an der Furt, in deren Gestalt die Mórrigan einmal dem Helden CuChulainn erscheint, ist in der keltischen Tradition weit verbreitet und keinesfalls nur auf Mórrigan beschränkt. Sowohl in Irland als auch Schottland und Wales gibt es Geschichten über sie. Sie sitz am oder im Fluss und wäscht blutige Kleidungsstücke oder auch Waffen und der Fluss färbt sich dadurch rot. Sie selbst wird als altes hässliches Weib beschrieben, gekleidet in Lumpen, oder auch als feenhafte Frau mit einer erotischen, aber düsteren Ausstrahlung. Die Farben schwarz und rot tauchen in der Beschreibung ihrer Haare und Kleidung oft auf. Sie prophezeit den Tod desjenigen, der sie sieht und seine eigenen Kleidungsstücke in ihren Händen erkennt. Manchmal spricht sie auch zu demjenigen, der ihr begegnet, und sehr oft erscheint sie im Herbst, in der Zeit um Samhain.
In Schottland heißt die Wäscherin bean nighe, was eine Assoziation zur bean sidhe, besser bekannt als Banshee, weckt. Diese "Frau aus dem Reich der Sidhe", wird meist als Fee gedeutet, hatte jedoch wohl ursprünglich die Funktion eines Ahnengeistes. Die Bean Sidhe gehört jeweils zu einer bestimmten Familie, und kündigt durch lautes Klagen und Heulen den nahen Tod eines Familienmitglieds an.

Die Ankündigung des nahenden Todes und die düstere Darstellung durch die blutigen Kleidungsstücke ist also ein Bindeglied zwischen der Mórrigan und anderen verbreiteten Vorstellungen im inselkeltischen Raum. Wie sieht es nun mit einem ihrer anderen Aspekte aus, ihrer Erscheinung als Raben- oder Krähenfrau über dem Schlachtfeld, die sich schließlich über die Leichen der Gefallenen hermacht? Auch hier kennt man ein ähnliches Motiv aus einem benachbarten europäischen Kulturraum, nämlich die germanischen Walküren (altnordisch valkyria). Bevor diese in der heroisch-romantisierenden Phantasie deutschtümmelnder Germanen-Fans des 19. Jahrhunderts zu prallbusigen Blondinen in schicken metallenen Rüstungen mutierten, zeigten sie in ihrer Gestalt und ihren Eigenschaften durchaus Ähnlichkeit mit ihren düsteren irischen Rabenschwestern.

Den Walküren kommt schon aufgrund ihres Namens (altnord. valr=die Leichen auf dem Schlachtfeld, und kiosa=auswählen/küren), und natürlich ihrer Schilderung in den Mythen, eine ganz ähnliche Funktion zu.
Sie sind weibliche Geistwesen, die in Vogelgestalt oder als Frauen zu Pferd, ähnlich wie die wilde Jagd Odins oder der Fraue Holle, über dem Schlachtfeld erscheinen, und die Gefallenen nach Valhalla geleiten. Genauer gesagt führen sie die eine Hälfte der Toten zu Odin und die andere zu Freya. In der Völsunga Saga erscheint eine von ihnen in Krähengestalt, und auch sonst werden sie öfters als hungrige, blutgierige Raben beschrieben, auch als Frauen, die mit Raben sprechen können, jedoch auch als Schwanenjungfrauen, wobei der Schwan ebenfalls einen starken Bezug zu Tod und Magie hatte, was sich bis in neuzeitliche Märchen erhalten hat.
Interessanterweise wird in mittelalterlichen Glossaren der Begriff "Valküre" ähnlich wie "Mórrigan" und "Badb" benutzt, um die fremdsprachlichen Begriffe Erinyen, Allecto (eine der Furien) und Bellona (gallorömische Kriegsgöttin) zu erläutern.
Anders als die Mórrigan und ihre Schwestern haben die Valkyrias oft einen stärker menschlichen Charakter, so berichten mehrere Gedichte in der Edda davon, wie sie Beziehungen zu Männern eingehen, heiraten und Kinder haben, und auch als Beschützerinnen und Lehrerinnen erscheinen, die z.B. einem Krieger ein besonderes Schwert schenken oder ihn den Umgang mit Waffen lehren.




Rest kommt später...

Abnoba

Laut der Erzählung einer Begegnung der Mórrigan mit dem Dagda, mit dem sie zu Samhain an einer Furt das Lager teilte, ist dies der Ursprung des Ortsnamen Lige ina Lánomhnou, was soviel bedeutet wie "das Bett des Paares". Später in der gleichen Erzählung wird der Ort auch als "Furt der Zerstörung" - Áth Admillte - benannt, da die Mórrigan Dagda entscheidende Hinweise zum Sieg über die Fomorians gibt, und verspricht, mit magischen Mitteln gegen sie vorzugehen, was sie auch tut.

Diese mythische Erzählung enthält gleich zwei interessante Aspekte. Einmal die Verbindung der Mòrrigan zur Jahreszeit (Samhain) und andererseits zu bestimmten Plätzen/Landschaften, bzw. deren Namen.
An vielen Stellen in der irischen Literatur werden besondere Landschaftsmerkmale, z.B. Hügel, Berge, Flüsse, Wasserfälle, Schluchten, etc. mit weiblichen G*ttheiten bzw. mythischen Gestalten in Beziehung gesetzt. Dabei tauchen auch die Mórrigan und ihre Schwestern immer wieder auf, und besonders fällt dabei auf, daß öfters derselbe Ort einmal nach Mórrigan, dann wieder nach Danu/Anu, der großen Erd- und Muttergöttin des frühen Irlands benannt wird. Besonders im Lebor Gabála Érenn, welches sich u.a. mit den familiären Beziehungen der Götter beschäftigt, wird Danu oft als Schwester oder auch einfach als anderer Name der Mórrigan genannt. So heißt es einmal, daß die Zauberin Ernmas sechs Töchter hatte, "Banba, Fotla und Ériu, und dann Badb und Macha und Mórrigan, deren Name Anand war" - an anderer Stelle wird Anand oder Ana als siebte Tochter genannt, und auch, daß nach ihr die beiden Hügel Cicha Anand in Urluachair "die Brüste Anands" heißen. Diese wiederum heißen auch "die Brüste der Mòrrigan".
Es wird deutlich, daß die Mórrigan eine starke Beziehung zur Erde, zum Land an sich hat, und sich an besonderen Plätzen als fruchtbare Göttin manifestiert.
Im Cath Maig Tuired findet sich noch ein Hinweis, der diese vermutete Beziehung von der Mórrigan zu Danu/Ana auch von der anderen Seite her beleuchtet. Hier fragt der Anführer der Thuatha de Danaan, der G*tt Lug, was die einzelnen zum bevorstehenden Kampf beitragen werden: "Und ihr, Bé Chuille und Danu" fragte Lug seine zwei Zauberinnen (das gälische Wort ist hier bantúathaid, eine gebräuchliche Bezeichnung der Mórrigan-Schwestern), "was könnt ihr in der Schlacht tun?" - "das ist schwer zu sagen", antworten sie. "Wir werden die Bäume und die Steine und Erdbrocken verzaubern, so dass sie ein bewaffneter Gegner für unsere Feinde sein werden; und diese werden erschreckt und zitternd fliehen". Hier benutzt eine Gestalt Danu magische Mittel in einer kriegerischen Situation, wie es von der Mórrigan vertraut ist - und tritt als Herrin über die Natur und die Erde auf, die sie zur Verteidigung bzw. zum Angriff gegen die Feinde aufzubringen weiß. Möglicherweise liegt hier der Schlüssel zum tieferen Verständnis der Mórrigan, die ursprünglich einer der dunkleren, todes- und anderweltorientierten Aspekte der frühkeltischen Erdgöttin gewesen sein mag. In einer veränderten Gesellschaft, in der das Land auch etwas war, um das gekämpft und Blut vergossen wurde, entstand die Vorstellung von düsteren Geistwesen, die aus einer Verbundenheit mit der Erde und naturmagischen Künsten sich in der Kriegssituation manifestierten, und in realistischer Weise auch die dunkle, blutige Seite der Kämpfe, den vielfachen Tod auf dem Schlachtfeld verkörperten.


Der zweite Anhaltspunkt in der Erzählung war das genannte Datum, nämlich Samhain. Dies war der Beginn des neuen Jahres und eine "Zeit zwischen den Welten". Der Name bedeutet "Ende des Sommers", denn die Kelten unterteilen das Jahr in grían beag und grían mor, die kleine und die große Sonne. Bis heute ranken sich viele Überlieferungen um dieses Fest, welches ursprünglich die herbstliche Erntezeit endgültig abschloß und den Abstieg ins winterliche Dunkel markierte. Es war ein Fest, an dem die Ahnen geehrt wurden, und die Grenzen zwischen der Anderwelt und der Alltagswirklichkeit verschwommen, deshalb nutzte man es für Weissagungen und Orakel. Früchte, die jetzt noch an den Bäumen hingen, durften nicht berührt werden, sie gehörten den Sidhe, den Ahnen und Erdgeistern. Viele düstere und spukhafte Vorstellungen ranken sich um dieses Fest, denn es führte wie kaum eine andere Zeit des Jahres die Nähe und Allgegenwart des Todes vor Augen. So wird in Irland von dunklen grausamen Vögeln (Raben?) erzählt, die an Samhain aus Felsspalten, oder auch aus dem Ozean auffliegen und Verwüstung über das Land bringen.
In der schottischen Folklore wird die dunkle und rauhe Jahreszeit, an grían beag, durch eine Gestalt verkörpert, die viele Ähnlichkeiten mit der Mórrigan und verwandten Gestalten zeigt: die Cailleach.
Ihr Name wird meist mit dem englischen hag gleichgesetzt. Cailleach bedeutet eigentlich "die Verschleierte" und in den Sagen wird sie meist dementsprechend beschrieben, als alte, in große Tücher gehüllte Frau, die teilweise mit der Figur der Bean Nighe, der Wäscherin, verschwimmt. Sie kann auch als junges Mädchen erscheinen, ebenso sich in einen Vogel oder ein Pferd verwandeln. Sie erscheint mit vielen verschiedenen Beinamen, so heißt sie z.B. Cailleach Dubha, die Schwarze oder Dunkle, was sich auf ihre Kleidung oder auch ihre Hautfarbe bezieht. In manchen Schilderungen ist ihr Rücken hohl, oder ihr Körper zur Hälfte blau, grau oder schwarz, was sie in Nähe ambivalenter Totengöttinnen wie Hel/Holla rückt. In Irland heißt sie meist Cailleach Bheara, nach der Halbinsel Beara, auf der angeblich die ersten menschlichen Siedler irischen Boden betraten.
In den schottischen Highland findet man sie in vielen Ortsbezeichnungen, insbesondere auf den westlichen Inseln. Die Cailleach erscheint in vielen schottischen Geschichten als die Erschafferin des Landes, sie geht als Riesin über die Erde und wirft Steine aus ihrer Schürze hinab, die zu Bergen werden, oder Schluchten und Täler formen. Ursprünglich soll sie in Lochlann gelebt haben (was als Hinweis auf Skandinavien oder auch die Ostseeküste gedeutet wird), doch dort gefiel es ihr nicht mehr - wahlweise waren es die Menschen, die dorthin kamen, die ihr nicht gefielen - und so schleppte sie Erde ins Meer im Westen, und baute sich dort ihr eigenes Reich. Das sind heute die Britischen Inseln.
Im Volksglauben Britanniens hat diese Gestalt sich lange gehalten, im chr*stlichen England hieß sie Carlin oder Cally Berry, auf der Insel Manx kennt man sie als Berrey Dhone, und in Cornwall als Berridraun. Häufig heißt sie auch Black Annis. Ein anderer Name ist Nicnevin, was sich von Nic an Neamhain (=Tochter der Nemain) ableitet und ebenfalls wieder ins Umfeld der Mórrigan deutet. Manchmal wird die Cailleach auch als Bronach (die Sorgenvolle) bezeichnet und dies ist ebenfalls ein Name, der auch als Beiname der Badb in der irischen Literatur erscheint. Diese Namensverwandtschaften sind jedoch nicht die einzigen Querverbindungen zur Mórrigan.
Cailleach verkörpert in Schottland die dunkle Zeit des Jahres, das winterliche kalte Land. Sie erscheint in der Zeit um Samhain, wandert mit einem Stock durch die wilden Berge und Moore und überall wo sie den Boden berührt, gibt es Frost und Schnee. Sie kann Sturm, Gewitter und Sturmfluten heraufbeschwören. Die Gänse, die um diese Zeit nach Süden fliegen, sind ihre Boten. In der jüngeren Schicht der Volkserzählungen im schottischen Hochland erscheint Cailleach auch unter der Bezeichnung Glaistig, in einer mehr und mehr negativen Konnotation. Den Jägern begegnen im Winter in einsamen Gegenden und abgelegenen Hütten weibliche Gestalten ihrer Freundinnen und Ehefrauen, saugen ihnen aber das Blut aus.
Wie die Bean Nighe wird auch die Gestalt der Glaistig bisweilen als Hausgeist einer Familie bezeichnet, die mit den Kindern und der Geburt zu tun hat, und immer wieder mit den Frauen einer Familie "vererbt" bzw. von der Braut in die Familie des Mannes gebracht wird. Sie weint, wenn der langjährige Besitz einer Familie verkauft wird, und der neue Hausbesitzer tut gut daran, sie durch eine Gabe günstig zu stimmen. Interessanterweise erscheinen all diese Gestalten als wohlwollend und unterstützend gegenüber Kindern, ärmeren alten Menschen, oder Frauen bei der Geburt, während gerade in den neuzeitlicheren Märchen ihre Bedrohlichkeit und Grausamkeit gegenüber männlichen Jägern im Vordergrund steht, was vermutlich auf die veränderte Wahrnehmung der Natur zurückzuführen ist.


Doch der dunkle, wolkenverhangene, stürmische Winter, die Zeit der Rabenfrauen aus der Anderwelt, ist eben letztlich nur die eine Seite der Medaille. Im Frühling, zu Beltaine oder auch schon zu Ám Feill Bride, dem Tag der Göttin Brigid, schlägt die Cailleach mit ihren Stock an einem Holunderbusch auf den Boden und verwandelt sich in einen Stein oder Baum oder verschwindet einfach.
In manchen Sagen verschwindet sie jedoch nicht einfach, sondern verwandelt sich im Frühling in die Erd- und Muttergöttin Brigid.
Brigid steht als dreifache Göttin der Schöpferkraft erstens für die Poesie, zweitens für die Handwerkskünste - insbesondere die Schmiedekunst - und drittens für die Fruchtbarkeit der Erde im Frühling, die Geburt von Menschen und Tierkindern und ebenso für Milch, Heilkräuter und heilkräftiges Wasser, sowie das Wissen der Hebammen. Stellt man ihr Mórrigan gegenüber, ergeben sich erstaunlich passende Verknüpfungspunkte. Mórrigan symbolisiert die spöttische, kämpferische und prophetische Dichtkunst, die Siege und Niederlagen kommentierte. Sie unterstützt die Kämpfer, nicht mit geschmiedeten Waffen, sondern mit der Waffe ihrer magischen Fähigkeiten. Und sie begleitet die Menschen ins Totenreich, sie verkörpert den destruktiven Aspekt der Natur- und Erdenergien, das Wasser des Flusses färbt sie rot.

Sowohl die Wäscherin als auch die Bean Sidhe und Cailleach sind ältere Motive, die nicht pauschal mit der Mórrigan gleichzusetzen sind, ebenso wenig wie die Mórrigan als jüngere Fortsetzung gesehen werden kann, sondern all diese Figuren scheinen unterschiedliche Ausprägungen einer facettenreichen Vorstellung der dunklen, winterlichen und tödlichen Aspekte weiblicher Übernatürlichkeit zu sein, die sich als Winterbringerin, Totenklägerin, Seelenbegleiterin präsentiert. Zunächst und ursprünglich ist sie eine Erdmutter, die Land, Tiere und die Jahreszeiten hütet, aber in Kriegssituationen manifestierte sie sich als Personifikation von Hass und Blutdurst, die über dem Schlachtfeld schwebte.

Während männliche Schutzgötter im indogermanischen Raum zumeist eine glorifizierte Sicht auf Krieg und Kampf verkörperten, wurde die keltische Kriegsgöttin aus der Vereinigung dunkler Erdgeister und Todesbotinnen zur machtvollen Metapher für den düsteren blutigen Horror, für die Realität der Schlachtfelder mit all ihren Konsequenzen.


aus einem Artikel von Claudia W. Striebe


Eigentlich bin ich durch einen Roman aus dem Avalon-Zyklus auf diesen Artikel gestoßen.
Daß ich ihn hier reinsetze hat zwei Gründe;
zum einen hege ich persönlich speziell für Macha ausgesprochen große Symphatien, und das bereits, seit sie mir das erste Mal begegnete.
Zum anderen stimme ich mit der Autorin u.a. in dieser Sache 100%ig überein:
durch die Mórrigan und ihre `Schwestern` aus anderen Kulturen wird ein Aspekt der Göttin beleuchtet, der sonst ganz allgemein nur allzu gerne unter den Teppich gekehrt wird.
Nichtsdestotrotz ist er vorhanden.

Lustig fand ich in diesem Zusammenhang auch die Beziehung zwischen Brunhild und ihrem Raben, wie sie in der Nibelungenverfilmung dargestellt wurde.
... danke schön das diese Texte hier im Forum stehen ...


Zitat: wird ein Aspekt der Göttin beleuchtet,

Da ist es wieder. Es wird ein Aspekt beleuchtet. Ist ein Fuchs ein Aspekt von PAN und ein Rabe ist ein anderer Aspekt desselben PAN? Oder sollte man sie doch individueller betrachten? Ist Herr xxx ein Aspekt von Pi. und Herr yyy ist auch nur ein Aspekt von Pi. oder eher individueller? Ist Lilith ein Aspekt der Göttin und auch Königin Maab nur ein Aspekt? Oder sind beide verschiedene Inkarnationen der Göttin. In diesem Fall dann weniger ein Aspekt, als vielmehr tatsächliche Person?

Also die Redereien von den Aspekten finde ich sehr irreführend, sie werden der tatsächlichen Sachlage nicht gerecht. Es sind Esoterik-Autoren, die diese Metapher gern benutzen, weil sie es anders nicht erklären können oder erklären mögen.

Abnoba

Mag sein, daß damit sehr wohl Personen oder verschiedene Inkarnationen ein und desselben Wesens gemeint sind. Spielt allerdings in meinen Augen keine besonders große Rolle, wenn letzten Endes alles eins ist.

Nuculeuz

Ja, aber das mit den Aspekten ist JE NACH HINTERGRUNDWISSEN dennoch etwas verwirrend, weil man auf eine falsche logische Fährte gelockt werden kann.

Symbolfiguren haben immer mindestens 2 Seiten, so kann die Göttin Leben spenden aber auch verwehren. Dafür sind dann auch nicht 2 Inkarnationen notwendig.

Grüße


Abnoba

Nuculeuz schrieb:Ja, aber das mit den Aspekten ist JE NACH HINTERGRUNDWISSEN dennoch etwas verwirrend, weil man auf eine falsche logische Fährte gelockt werden kann.

Symbolfiguren haben immer mindestens 2 Seiten, so kann die Göttin Leben spenden aber auch verwehren. Dafür sind dann auch nicht 2 Inkarnationen notwendig.
*bißchen ratlos schaut*
Na eben.
Mit dem Begriff `Aspekt` ist die Geschichte für mein Empfinden am einfachsten erklärt. Alles andere finde ich nun andersherum unnötig verwirrend. Unsure
Zitat:Spielt allerdings in meinen Augen keine besonders große Rolle, wenn letzten Endes alles eins ist.

Wir sind ja im Grunde auch EINS. Ein anderer Aspekt des Lebens - sozusagen. Also man kann im Grunde alles so formuloieren, deswegen finde ich das mit den Aspekten auch sehr verwirrend und halte es für das Gestammel und Ausweichmanöver eines Unwissenden.

Und wenn ich dir auf das Hemd kotze ist das nur ein anderer Aspekt meiner "inneren" Zuneigung, oder wie? [Bild: 00000014.gif]

Abnoba

Schön zu sehen, daß Du offensichtlich wieder ganz auf der Höhe bist. Wow