15.02.12008, 19:08
Hallo Hernes_Son,
auch ich habe mich mit Rumpelstilzchen befasst und mein erster Gedanke war dazu, dass Zwerge als "böse" Gestalten bezeichnet werden.
Ich bin anderer Meinung und habe einiges Interessantes ausfindig machen können...
König Laurin
Hier erzählen der Held Dietleib und Dietrichs Waffenmeister Hildebrand dem jungen Dietrich von den Besonderheiten um des Zwergenkönig Laurins Rosengarten, der auch die ch***liche Jungfrau-Königin Künhild (Similde) entführt haben soll. Man beschließt gen König Laurin ins Gebirge Tirols zu ziehen. Dort nimmt Witege (Wittich) sich sogleich den Rosengarten vor. Es kommt zum Kampf. Laurin wird trotz seiner zauberhaften Kampfausrüstung von Dietrich mit Hilfe Hildebrands besiegt. Laurin verspricht Dietrich die Treue und lädt sie zu seiner Burg ins Bergesinnere ein, wo sie ein Festmahl halten. Nachts kommt es abermals zu einem Kampf, indem diesmal Dietrich und seine Helden unterliegen und eingekerkert werden. Dietrich gelingt die Befreiung. Durch Künhilds Zauberringe können die durch Tarnkappen unsichtbaren Zwerge wieder sichtbar gemacht werden. Dietrich und seine Ritter vernichten damit das Zwergenvolk. Künhild bittet um Gnade für Laurin, da er sie anständig behandelt hat. Sie wird ihm gewährt. Er kommt nach Bern und darf später wieder zurück. In einer anderen Version gelingt ihm die Flucht.
Diesen Teil kennen wir ja bereits, das Interessante daran ist bei diesem Text, dass sich einige Namen aus dem Keltischen ableiten und von der Kirche umbenannt wurden.
Hauptthematik:Völkerwanderung, Vernichtung,
Rätisches Bergvolk (als "Zwerge" dargestellt) wird samt seiner germanischen Schutzherren und Verbündeten ("Riesen") vernichtet.
Literarische Darstellung der Grundmotive zur Vernichtung:
Feind von außen abwehren, "Rosengarten"-Streit, Jungfrau-Entführung, Eroberungsabenteuer, hinterhältige Einladung, Bezwingung des Heidnischen.
Auffälligster historischer Hintergrund:
Zum Teil räumlich-inhaltliche Fortsetzung und Ergänzung des Eckenlieds: Weiteres Eindringen in ein rätisches Bergbauzentrum ("Rosengarten"), Eroberung und Vernichtung des dort nicht kooperierenden Stammes samt seiner germanischen Verbündeten.
Letzte historische Übertragungen:
Vernichtung eines rätischstämmigen Bergvolkes samt seiner germanischen Verbündeten, den Baiern und Langobarden durch das karolingische Intrigengeflecht Karls des Großen. Eine ältere Eroberungsgeschichte dürfte hier bereits vorgelegen haben.
Haupthandlungsort:
südwestlichster Dolomitenrand
Ursprünglichste Verschriftlichung:
Relativ späte Niederschrift vermutlich in einer Burg bei Bozen mit Blickfeld auf das Rosengarten-Massiv, Südtirol. Dem Verfasser mussten bereits sämtliche Ritterepen vorgelegen haben.
Zeit: um 1230
Mögliche Beziehungen zum keltisch-germanischen Kulturkreis im König Laurin:
Im König Laurin hat der Dichter eine besondere Galionsfigur mit ideologisch-mythologischer Funktion eingebracht: Künhild (auch Similde genannt), die hier als des Dietleibs Schwester ausgegeben wird, welche von König Laurin entführt worden sein soll. Der Westgoten-Prinz Dietleib (Namensbedeutung: Volkserbe) übersiedelte von seiner Vaterburg in Steyr (Oberösterreich) ins Südtiroler Unterland und wurde somit des rätischen Königs Laurin Nachbar. Künhilds Funktion verhält sich hier ähnlich wie die der "entführten Helena" im homerischen Ilias-Epos oder der "entführten Ginever" in der Artussage (ARTUS keltisch = Bär): als eine vom König Laurin mythologisch "entführte Jungfrau-Königin". Damit stellt die von einem heidnischen Bergkönig "entführte ch***tliche Jungfrau" neben dem "Rosengarten" das Kriegs- oder Aventiure-Motiv dar - oder anders ausgedrückt: den 'Schwarzen Peter' im epischen Kriegsverwirrspiel.
Wahrscheinlich repräsentiert in diesem Fall Künhild (Assoziationen zur Krimhild sind ebenso unvermeintlich) mythisch die germanische Fruchtbarkeitsgöttin Idun, die auch symbolisch passend den "Rosengarten" vertretet: Ihr Attribut sind die Äpfel, die zu den Rosengewächsen zählen. Sie dürfte bereits damals mit den talseitigen Ch***tianisierungstendenzen (Idun-Jungfrau-Königin-Maria) erste Kontakte gehabt haben. Die nähere Verwandtschaft zur keltisch-rätischen Entsprechung dürfte vorerst stärker gewirkt haben als der neuaufkommende ch***tlich-semitische Einfluss. Daher könnte hier eine solche Kult-Entführung seitens der rätischen Bergvölker am ehesten mit den Konkurrenz-Ängsten ch**stlicher Missionierung in Verbindung gebracht werden und später zugedichtet worden sein. Einerseits dürften die rätischen Bergstämme nämlich schon längst verschiedene Beziehungen und Bündnisse mit der germanischen Schutzmacht des alpinen Limessystems aufgebaut haben, anderseits war damals auf diesem Gebiet der Machtanspruch der Ch***tianisierung und die Marienverehrung noch nicht so weit fortgeschritten.
--- Nach diesem Text sieht man Rumpelstielzchen aus einer ganz anderen Perspektive, oder was meint Ihr?
Interessant, was man so alles umschreiben kann...
Meine Grüße
auch ich habe mich mit Rumpelstilzchen befasst und mein erster Gedanke war dazu, dass Zwerge als "böse" Gestalten bezeichnet werden.
Ich bin anderer Meinung und habe einiges Interessantes ausfindig machen können...
König Laurin
Hier erzählen der Held Dietleib und Dietrichs Waffenmeister Hildebrand dem jungen Dietrich von den Besonderheiten um des Zwergenkönig Laurins Rosengarten, der auch die ch***liche Jungfrau-Königin Künhild (Similde) entführt haben soll. Man beschließt gen König Laurin ins Gebirge Tirols zu ziehen. Dort nimmt Witege (Wittich) sich sogleich den Rosengarten vor. Es kommt zum Kampf. Laurin wird trotz seiner zauberhaften Kampfausrüstung von Dietrich mit Hilfe Hildebrands besiegt. Laurin verspricht Dietrich die Treue und lädt sie zu seiner Burg ins Bergesinnere ein, wo sie ein Festmahl halten. Nachts kommt es abermals zu einem Kampf, indem diesmal Dietrich und seine Helden unterliegen und eingekerkert werden. Dietrich gelingt die Befreiung. Durch Künhilds Zauberringe können die durch Tarnkappen unsichtbaren Zwerge wieder sichtbar gemacht werden. Dietrich und seine Ritter vernichten damit das Zwergenvolk. Künhild bittet um Gnade für Laurin, da er sie anständig behandelt hat. Sie wird ihm gewährt. Er kommt nach Bern und darf später wieder zurück. In einer anderen Version gelingt ihm die Flucht.
Diesen Teil kennen wir ja bereits, das Interessante daran ist bei diesem Text, dass sich einige Namen aus dem Keltischen ableiten und von der Kirche umbenannt wurden.
Hauptthematik:Völkerwanderung, Vernichtung,
Rätisches Bergvolk (als "Zwerge" dargestellt) wird samt seiner germanischen Schutzherren und Verbündeten ("Riesen") vernichtet.
Literarische Darstellung der Grundmotive zur Vernichtung:
Feind von außen abwehren, "Rosengarten"-Streit, Jungfrau-Entführung, Eroberungsabenteuer, hinterhältige Einladung, Bezwingung des Heidnischen.
Auffälligster historischer Hintergrund:
Zum Teil räumlich-inhaltliche Fortsetzung und Ergänzung des Eckenlieds: Weiteres Eindringen in ein rätisches Bergbauzentrum ("Rosengarten"), Eroberung und Vernichtung des dort nicht kooperierenden Stammes samt seiner germanischen Verbündeten.
Letzte historische Übertragungen:
Vernichtung eines rätischstämmigen Bergvolkes samt seiner germanischen Verbündeten, den Baiern und Langobarden durch das karolingische Intrigengeflecht Karls des Großen. Eine ältere Eroberungsgeschichte dürfte hier bereits vorgelegen haben.
Haupthandlungsort:
südwestlichster Dolomitenrand
Ursprünglichste Verschriftlichung:
Relativ späte Niederschrift vermutlich in einer Burg bei Bozen mit Blickfeld auf das Rosengarten-Massiv, Südtirol. Dem Verfasser mussten bereits sämtliche Ritterepen vorgelegen haben.
Zeit: um 1230
Mögliche Beziehungen zum keltisch-germanischen Kulturkreis im König Laurin:
Im König Laurin hat der Dichter eine besondere Galionsfigur mit ideologisch-mythologischer Funktion eingebracht: Künhild (auch Similde genannt), die hier als des Dietleibs Schwester ausgegeben wird, welche von König Laurin entführt worden sein soll. Der Westgoten-Prinz Dietleib (Namensbedeutung: Volkserbe) übersiedelte von seiner Vaterburg in Steyr (Oberösterreich) ins Südtiroler Unterland und wurde somit des rätischen Königs Laurin Nachbar. Künhilds Funktion verhält sich hier ähnlich wie die der "entführten Helena" im homerischen Ilias-Epos oder der "entführten Ginever" in der Artussage (ARTUS keltisch = Bär): als eine vom König Laurin mythologisch "entführte Jungfrau-Königin". Damit stellt die von einem heidnischen Bergkönig "entführte ch***tliche Jungfrau" neben dem "Rosengarten" das Kriegs- oder Aventiure-Motiv dar - oder anders ausgedrückt: den 'Schwarzen Peter' im epischen Kriegsverwirrspiel.
Wahrscheinlich repräsentiert in diesem Fall Künhild (Assoziationen zur Krimhild sind ebenso unvermeintlich) mythisch die germanische Fruchtbarkeitsgöttin Idun, die auch symbolisch passend den "Rosengarten" vertretet: Ihr Attribut sind die Äpfel, die zu den Rosengewächsen zählen. Sie dürfte bereits damals mit den talseitigen Ch***tianisierungstendenzen (Idun-Jungfrau-Königin-Maria) erste Kontakte gehabt haben. Die nähere Verwandtschaft zur keltisch-rätischen Entsprechung dürfte vorerst stärker gewirkt haben als der neuaufkommende ch***tlich-semitische Einfluss. Daher könnte hier eine solche Kult-Entführung seitens der rätischen Bergvölker am ehesten mit den Konkurrenz-Ängsten ch**stlicher Missionierung in Verbindung gebracht werden und später zugedichtet worden sein. Einerseits dürften die rätischen Bergstämme nämlich schon längst verschiedene Beziehungen und Bündnisse mit der germanischen Schutzmacht des alpinen Limessystems aufgebaut haben, anderseits war damals auf diesem Gebiet der Machtanspruch der Ch***tianisierung und die Marienverehrung noch nicht so weit fortgeschritten.
--- Nach diesem Text sieht man Rumpelstielzchen aus einer ganz anderen Perspektive, oder was meint Ihr?
Interessant, was man so alles umschreiben kann...
Meine Grüße