Die Himmelsscheibe von Nebra
#4
Seit jeher beflügeln die Plejaden die Fantasie der Menschen. Manche Archäoastronomen gehen sogar davon aus, dass die Plejaden schon in den 17.000 Jahre alten Höhlenmalereien von Lascaux zu sehen sind. Dort, im Saal der Stiere, prangt über der Schulterpartie eines mächtigen Auerochsen eine markante Punktformation. Die Parallele zu neuzeitlichen Himmelskarten ist überraschend: Da finden sich die Plejaden auch im Sternbild Stier in nahezu der gleichen Position.

Rund um den Globus zieht diese Sternenkonstellation die Aufmerksamkeit an sich. Von den Maoris in Neuseeland über die Aboriginies in Australien, den Menschen in Japan und China, Kirgisien und der Mongolei, in Indien, Persien, Ägypten, Griechenland bis hin zu den Cherokee und Navajo im Norden, den Inkas im Süden Amerikas.

Ihr Erscheinen oder ihr Untergang läutete das neue Jahr ein oder markierten den Beginn der Regenzeit. Sie galten als Künder des Frühlings, des Lebens, sie signalisierten, wann es Zeit war, in See zu stechen, und wann die Schiffe besser im Hafen blieben. Bei den Schamanen Sibiriens galten die Plejaden als Öffnung des Himmels, die ihnen als Startpunkt ihrer Reisen in die kosmischen Weiten dienten. Insofern stehen all jene Leute, die heute dem Museum in Halle schreiben, die Himmelsscheibe von Nebra liefere eine verschlüsselte Anleitung für Reisen durch das Weltall, in einer sehr alten Tradition.

Die Plejaden haben noch etwas anderes gemeinsam mit der Himmelsscheibe. Sie geben beide Rätsel auf. Ständig hat es den Anschein, als ob eine Plejade verschwinden würde. Mal sind sieben zu erkennen, mal nur sechs. Die Astronomen von heute gehen davon aus, das es sich bei einem von den sieben Sternen um einen veränderlichen Stern handelt. Für Hesiod waren die sieben Sterne die Töchter des Titanen Atlas. Als Einzige von Ihnen heiratete Merope einen Sterblichen und verblasste aus Scham darüber von Zeit zu Zeit. Andere erzählten, es sei die Plejade Elektra gewesen, die aus Verzweiflung über den Untergang Trojas den Reigen der Schwestern verlassen habe und nun mit wehendem Haar am Himmel als Komet herumirre. 

Wenn man sich sehr viel näher mit der Himmelsscheibe beschäftigt und sich die Schmiedearbeit auf ihr genauer ansieht, erkennt man, dass im Laufe der Zeit Veränderungen an ihr vorgenommen wurden. Untersuchungen haben gezeigt, dass sie wiederholt gravierende Umgestaltugnen widerfuhr.
Die Scheibe war höchstwahrscheinlich ein Auftragswerk gewesen. Es gilt heute als unwahrscheinlich, dass eine Person das Wissen, das Gold und die technologischen Fertigkeiten besaß, um sie allein herzustellen. Für die Urversion der Scheibe brauchte es einen erfahrenen Schmied, dem mindestens ein Gehilfe zur Hand ging. Da hier heiliges Wissen im Spiel war, geht man heute davon aus, dass der Erbauer seine Arbeit im Geheimen vollbracht hat, wahrscheinlich unter dem Schutz des Auftraggebers, des ersten Meisters der Himmelsscheibe. In Mesopotamien waren früher die sternenkundigen Experten dem König verpflichtet, sie unterlagen einer Schweigepflicht. Das delikate Wissen über die himmlischen Affären, das über das Schicksal des Königs und des Landes entschied, durfte nicht in falsche Hände geraten. Die Kunst des Sternendeutens wurde nur innerhalb eines Geschlechtes vom Vater an den Sohn übertragen.

In der Phase 1 der Himmelsscheibe zeigt sie nur astronomische Objekte, die eine Schaltregel codieren. Die Horizontbögen links und rechts, das Schiff und die 39 Löcher am Rand werden erst in späteren Phasen hinzugefügt. Die erste Frage, die sich hier aufdrängt: Wie lange zeigte die Himmelsscheibe ihr ursprüngliches Antliz, und wann wurde sie zum ersten Mal verändert und warum?

Nach dem heutigen Kenntnisstand ist mindestens eine Generation vergangen, vermutlich aber sogar eher zwei oder drei: Eine neuer Schmied war hier am Werk. Nicht nur war seine Arbeit von geringerer Qualität, der erhaltene rechte Horizontbogen lässt es außerdem an Eleganz missen. Auch war er nicht mit der Tauschiertechnik vertraut und beging Anfängerfehler. Es wurden Sterne entfernt oder versetzt, jedoch wurde das gleiche Gold aus Cornwall noch benutzt. Eine weiter Frage, die man sich stellen kann: Haben wir es hier mit einem Wissensverlust oder einer Wissensanreicherung zu tun.

In der zweiten Phase der Himmelsscheibe werden links und rechts die Horizontbögen montiert, die den Verlauf der Sonne zwischen den Sonnenwenden wiedergeben. Das war uraltes neolithisches Wissen. Um das auf der Himmelsscheibe unterzubringen, mussten ein Stern versetzt und zwei entfernt werden. Damit war die ursprüngliche Doppelcodierung der Schaltregel zerstört. Jener Teil des Codes, der lautete: Vergehen 32 Tage, bis der Mond seit dem vorhergenden Neulicht im Frühlingsmonat bei den Plejaden steht, so muss geschaltet werden. Das spricht auf den ersten Blick für Wissensverlust, denn hier war wahrscheinlich jemand am Werk, der nicht mehr im Gänze über den ursprünglichen Scheibeninhalt informiert war.
Oder handelt es sich gar nicht um einen Wissensverlust? Die Plejadenregel selbst blieb erhalten. Für die zählt nur die Dicke der Mondsichel beim Zusammentreffen mit den Plejaden, da spielt die Anzahl der Sterne keine Rolle (die sorgten nur für eine zusätzliche Verschlüsselung).
Es könnte also sein, dass hier das neue, aus der Fremde importierte Wissen mit dem Laufe jenes Gestirnes angereicht wurde, das die europäische Bronzezeit beherrschte wie kein zweites: dem der Sonne. Dann wollte jemand die Scheibe vervollständigen. Zeigte die Urversion die Ordnung der Nacht an, brachte er nun die Ordnung des Tages auf die Scheibe: Sonne, Mond und Sterne, kombiniert mit den irdischen Horizonten: Damit war die Scheibe komplett und der Himmel auf Erden gebracht, ein wahres Wunderwerk der Antike.

Die Himmelsscheibe von Nebra ist jedoch nicht das einzige Zeugnis einer hochentwickelten und frühen Hochkultur in Europa. Wenn man sich ein wenig näher mit Archäoastronomie beschäftigt, stößt man auf weitere Wunderwerke der Technik: Schwammtaucher haben in einem antiken Schiffswrack vor der Insel Antikyhtera zwischen Kreta und den Peloponnes den sogenannten "Mechanismus von Antikythera" gefunden. Mit seinen Zahnrädern, Ziffernblättern und Getrieben konnte er den Lauf von Sonne und Mond durch den Tierkreis anzeigen und unterschiedliche kalendarische Zyklen berechnen, das ist bei einem Alter von über 2.100 Jahren eine bemerkenswerte Leistung, denn einen solchen Apparat dürfte es zu dieser Zeit gar nicht geben.

   

   

Ein neuzeitlicher Nachbau des Mechanismus von Antikythera

Es heißt, dass Archimedes von Syrakus dieses Gerät nach uralten Plänen von unbekannter Herkunft nachgebaut hat. Das wirklich erstaunliche an dieser feinmechanischen Meisterleistung ist jedoch, für wie wenig Aufmerksamkeit sie bis heute gesorgt hat. Im Grunde genommen müssten alle Schulbücher umgeschrieben werden, aber nichts dergleichen passiert. Es passt halt einfach nicht in die Vorstellungen, die man traditionellerweise von der Vergangenheit hat.
Im A & O das Geheimnis liegt - Omega siegt!
Zitieren
Es bedanken sich: Paganlord , Naza , Alexis , Erato , Wishmaster , Saxorior , Vale , Ela , Inara , Rahanas


Nachrichten in diesem Thema
Die Himmelsscheibe von Nebra - von Hernes_Son - 26.03.12019, 12:57
RE: Die Himmelsscheibe von Nebra - von Hernes_Son - 19.06.12019, 00:12
RE: Die Himmelsscheibe von Nebra - von Hernes_Son - 01.07.12019, 01:17
RE: Die Himmelsscheibe von Nebra - von Hernes_Son - 11.07.12019, 00:50
RE: Die Himmelsscheibe von Nebra - von Hernes_Son - 11.07.12019, 20:37
RE: Die Himmelsscheibe von Nebra - von Erato - 12.07.12019, 07:49
RE: Die Himmelsscheibe von Nebra - von Hernes_Son - 12.07.12019, 20:34
RE: Die Himmelsscheibe von Nebra - von Paganlord - 13.07.12019, 10:10
RE: Die Himmelsscheibe von Nebra - von verdandi - 16.11.12020, 14:56

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste

Termine

Nächster Vollmond ist in 2 Tagen und 12 Stunden am 09.08.12025, 09:56
Nächster Neumond ist in 16 Tagen und 10 Stunden am 23.08.12025, 08:07
Letzter Neumond war vor 13 Tagen