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Starke Frauen
#6
Cornelia Gracchus

Cornelia, eine Tochter von Scipio Africanus, der Hannibal besiegt und den Karthagern Spanien entrissen hatte, war mit neunzehn Jahren mit dem fünfundvierzigjährigen Tiberius Sempronius Gracchus verheiratet worden, einem Römer aus edelster Familie.

Cornelia war Tiberius Sempronius Gracchus eine vorbildliche Ehefrau, und während der beinahe zwanzig Jahre ihrer Ehe gebar sie ihm zwölf Kinder. Die Kinder waren jedoch ausnahmslos kränklich, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen war, daß die Kinder von zwei blutsverwandten Familien abstammten. So überlebten nur drei das Kindesalter, die Tochter Sempronia und die beiden Söhne Tiberius und Gaius.

Mit großer Sorgfalt unterrichtete sie ihre Kinder im geeigneten Alter selbst. Als ihr Ehemann starb, blieb sie mit der fünzehnjährigen Sempronia, dem zwölfjährigen Tiberius, dem zweijährigen Gaius und den anderen Kindern, die bis dahin überlebt hatten, zurück.
Viele bewarben sich um die Hand der Witwe, denn sie hatte ihre Fruchtbarkeit mit erstaunlicher Regelmäßigkeit unter Beweis gestellt und war immer noch im gebärfähigem Alter. Zudem war sie die Tochter des berühmten Scipio Africanus, und Witwe des Tiberius Sempronius Gracchus. Und sie war reich, einfach unvorstellbar reich.

Unter ihren Freiern war auch König Ptolemaios Euergetes der Fette, ehemaliger König von Ägypten und regierender König der Cyrenaica. In den Jahren zwischen seiner Entthronung und seiner Wiedereinsetzung als König von Ägypten, neun Jahre nach Tiberius Sempronius Gracchus Tod, war er ein häufiger Besucher in Rom. Er blökte dem Senat, der seiner gründlich überdrüssig war, die Ohren voll, hetzte und bestach, weil er unbedingt wieder auf den ägyptischen Thron wollte.

Als Tiberius Sempronius Gracchus starb, war Cornelia sechsundreißig, Ptolemaios war acht Jahre jünger als sie und um die Leibesmitte noch deutlich schlanker. Er bemühte sich gleichermaßen beharrlich um ihre Hand und um seine Wiedereinsetzung als König von Ägypten, doch beides blieb erfolglos. Cornelia, die Mutter der Gracchen, wollten keinen seltsamen ausländischen König heiraten, und mochte er noch so reich und mächtig sein.

Tatsächlich hatte Cornelia beschlossen, überhaupt nicht mehr zu heiraten. Eine edle Römerin, die mit einem ebenso edlen Römer verheiratet gewesen war, hatte keinen Grund, noch einmal in den Stand der Ehe zu treten. So wurde Freier nach Freier mit erlesener Höflichkeit abgewiesen, und die Witwe kümmerte sich ausschließlich um die Erziehung ihrer Kinder.

Und sie erlebte schwere Schicksalsschläge. Ihr Lebensmut wurde weder durch die Ermordung ihres Sohnes Tiberius während seiner Amtszeit als Volkstribun gebrochen noch durch die Gerüchte über eine Beteiligung ihres Vetters und Schwiegersohnes Scipio Aemilianus an diesem Mord. Auch die entsetzlichen Vorkommnisse in der Ehe ihrer Tochter Sempronia mit Scipio Aemilianus und dessen mysteriöser Tod, bei dem man munkelte, daß er ermordet worden sei – von seiner Frau, Cornelias Tochter -, konnte ihren Lebenswillen nicht erschüttern. Sie umsorgte ihren geliebten Sohn Gaius Gracchus und unterstütze ihn auf seinem politsichen Weg.

Als dann Gaius Gracchus eines entsetzlichen Todes starb, dachte jedermann, daß sich die inzwischen siebzigjährige Cornelia, die Mutter der Gracchen, von diesem Schlag nicht mehr erholen würde. Doch sie fuhr fort, das Leben in ihrer gewohnten Art mit erhobenem Haupt zu meistern - verwitwet, ihrer vielversprechenden Söhne beraubt, das einzige überlebende Kind die verbitterte, unfruchtbare Sempronia.

Cornelia zog sich aus Rom zurück, doch nie vom Leben, und sie verfolgte weiterhin alle Geschehnisse. In ihrer weitläufigen Villa in Misenum, in der sie von nun an lebte, war alles vereint, was Rom an Geschmack, Kultur und Pracht zu bieten hatte. Hier begann sie auf Bitten ihrer Freunde, ihre Briefe und Schriften zusammenzufassen, und sie erlaubte dem betagten Sosius von Argiltum, diese zu veröffentlichen. Wie ihre Verfasserin waren sie lebhaft, voller Anmut, Charme und Witz, und doch vermittelten sie Stärke und Tiefe. In Misenum fügte sie dieser Sammlung noch viel Neues hinzu, denn trotz ihres Alter verlor sie weder ihre Aufgeschlossenheit noch ihrer geistige Regsamkeit.

Als Cornelia dreiundachtzig war stattete die Familie Cotta mit ihrer stattlichen Kinderschar ihr einen Besuch ab – kein langweiliger Pflichtbesuch, sondern ein aufregendes Ereignis. Bevor sie die Mutter der Gracchen aufsuchten, wurde die gesamte Nachkommenschaft, unter Androhung aller erdenklichen Strafen, ermahnt, keinen Lärm zu machen, still zu sitzen und aufs Wort zu gehorchen.
Marcus Cotta und Rutilia hätten sich die Ermahnungen, die auch eigentlich gar nicht in ihrer Art lagen, sparen können. Cornelia wußte so ziemlich alles, was es über kleine und große Jungen zu wissen gab. Cornelia war von den lebhaften und intelligenten Kindern beeindruckt.

Aber nicht nur sie, sondern auch eine junge Dame, zu diesem Zeitpunkt gerade einmal sechzenjährig. Sie schwor sich, ihr zukünftiges Leben nach den gleichen hohen Maßstäben von Stärke, Ausdauer, Würde und Geduld auszurichten. Sie begann, ihre Bibliothek mit sämtlichen Schriften der alten Dame zu füllen, und damit wurde der Grundstein für ein Leben gelegt, das ebenso bemerkenswert verlaufen sollte wie das von Cornelia, der Mutter der Gracchen.

Jener Besuch konnte nicht wiederholt werden, denn im darauffolgenden Winter starb Cornelia, die Mutter der Gracchen. Sie saß aufrecht auf einem Stuhl und hielt die Hand ihrer Enkelin, die gerade von ihrer offiziellen Verlobung mit Marcus Fulvius Flaccus Bambalio in Kenntnis gesetzt wurde. Er war der einzige überlebende der Familie Fulvius Flaccus, alle anderen Mitglieder der Familie waren tot, weil sie Gaius Graccus unterstützt hatten. Für Cornelia war es eine tiefe Befriedigung, daß ihre Enkelin, die Erbin des riesigen Vermögens der Sempronier, dieses nun in ein Haus einbringen würde, das sein Vermögen für die Sache von Gaius Gracchus geopfert hatte. Und mit größtem Vergnügen teilte sie ihrer Enkelin mit, daß sie immer noch genügend Einfluß im Senat besaß, um ein Dekret zu erwirken, das ihre Enkelin von den Bestimmungen der lex Voconia de mulierum hereditabius ausnahm. So war das riesige Vermögen geschützt für den Fall, daß irgendein entfernter Verwandter auftauchen sollte, um das Vermögen mit Hilfe dieses frauenfeindlichen Gesetzes an sich zu bringen. Dieses Dekret, fügte sie hinzu, galt auch für die darauffolgenden Generationen, fals Sempronia nur weibliche Erben haben würde.

Was würde Cornelia, die Mutter der Gracchen tun? Was würde die Mutter der Gracchen denken? Wie würde Cornelia, die Mutter der Gracchen empfinden? Sie war Vorbild vieler junger Frauen, aber nur eine konnte ihr in Zukunft auch nur annähernd das Wasser reichen:
Aurelia Cotta, das kleine sechzehnjährige Mädchen, und die zukünftige Mutter von Gaius Julius Cäsar...
Im A & O das Geheimnis liegt - Omega siegt!
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[Kein Betreff] - von Inara - 17.03.12006, 12:43
RE: Starke Frauen - von Paganlord - 23.11.12011, 00:09
RE: Starke Frauen - von Hælvard - 04.12.12011, 13:24
RE: Starke Frauen - von Hælvard - 25.06.12017, 18:04
[Kein Betreff] - von Saxorior - 17.03.12006, 18:22
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[Kein Betreff] - von Gast - 31.03.12006, 18:11
[Kein Betreff] - von Slaskia - 31.03.12006, 18:14
Re: Starke Frauen - von Hernes_Son - 18.04.12010, 20:05
Re: Starke Frauen - von Hælvard - 21.04.12010, 12:29
Re: Starke Frauen - von Hernes_Son - 21.04.12010, 19:57
Re: Starke Frauen - von Rahanas - 09.05.12010, 17:31
Re: Starke Frauen - von Hernes_Son - 19.05.12010, 00:52
Re: Starke Frauen - von Maurynna - 21.08.12010, 23:07
Re: Starke Frauen - von Wishmaster - 22.08.12010, 01:17
Re: Starke Frauen - von Maurynna - 22.08.12010, 09:48

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