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Bragi
#6
Folgend die obige Geschichte in Versform.

Vom Ursprung der Dichtkunst.

Er saß, umstrahlt vom ew'gen Lichte,
der Göttervater in Walhall,
mit sonnenhellem Angesichte,
und um ihn her die Asen all.

Die horchten staunend dem Berichte,
gesungen zu der Saiten Schall.
Nie war noch in so zaubervollen
Glutworten ihm Gesang entquollen.
Selbst Bragi, Meister im Gedichte,
füllt' Asgard nie mit gleichem Hall.

Odin sang:
Euch ward die Kunde, Ihr hohen Asen,
vom süßen Tranke aus Kvasirs Blut;
der überwunden Fjalar und Galar,
wo Suttung wahrte das hohe Gut.

In tiefer Oede, wo Licht nicht mochte
hinunterdringen zur Grabesnacht,
da saß Gunlöde, des Joten Tochter,
des Trankes hütend im düstern Schacht.

Und über'm Hügel, da hütet Bauge (der Bruder von Suttung),
der Ohm der Jungfrau, den dunkeln Ort.
Neun Riesen dienen gar willig Bauge;
auf Wiesen schwangen sie Sensen dort.
Kam zu den Knechten ein Unbekannter;
der schliff und schärfte die Sensen gut;
warf drauf den Wetzstein, den wollten alle:
so trank die Erde der Kämpfer Blut.

Bald kam zu Bauge der Unbekannte (Odin),
wo Kummer klagte der Knechte Fall.
„Gib mir vom Zauber gewalt'gem Tranke,
so will ich warten der Arbeit all."

So bat ihn Bölwerk (Odin), der fremde Wandrer,
und Baug' erwidert: "Er ist nicht mein!
Doch wirst Du warten treu meiner Arbeit,
dann werd' ich wieder Dir willig sein.“

Es schwand der Sommer, schon war die Arbeit
vollbracht von Bölwerk; der bat um Lohn.
Und Bauge fordert des Tranks vom Bruder:
Da gab der Jote ihm Spott und Hohn.

Drauf beide bohrten am Berge heimlich,
bis tief zum Gange der Bohrer drang,
Allein war Bauge, sein Blick sucht Bölwerk:
Der schlich als Schlange schon tief im Gang.

Durch Klüfte schlüpfte, durch düstre Höhlen
voll gelben Goldes der glatte Wurm.
Noch saß betrübet des Riesen Tochter
tief unter Wellen und Meeressturm.

Sie saß im Schlummer, sich träumend sehnend
nach Licht und Liebe und Lebenslust.
Da kam der Wandrer des Tranks begehrend,
die Süße seufzte, ach, unbewußt.

Der Wandrer fragte, als sie erwacht war:
„Gibt mir Gunlöde vom Tranke gern?“
Die Jungfrau zagte, denn nicht mehr Nacht war,
Und fern der Jote, ihr Vater fern.

   

Es trank der Wandrer vom Goldmet dreimal,
und Wonne wallte ihm warm um's Herz.
Er schwang, ein Adler, auf freien Flügeln
mit Suttungs Tranke sich himmelwärts.

Ich war der Wandrer, ich war die Schlange,
mir gab Gunlöde das edle Naß!
Das soll nun laben und lichtwärts tragen
aus Gram und Oede, ohn' Unterlaß!

Er sangs, und goß die reine Schale
voll Dichtermet in Asgard aus.
Hinfloß die Flut im mächt'gen Strahle,
und ward ein ew'ger Strom daraus,
der rauschte stolz vom Asensaale
in alle Welt hinab, hinaus.
Auch zu den Menschen floß er nieder,
sie nannten ihn den Strom der Lieder,
als längst die Luſt beim Göttermale,
verstummt und Asgard sank in Graus.

Und nie versiegt ist seine Quelle,
die hoch im Götterland entsprang;
Sie rieselt sanft, sie sprudelt helle,
ihr leises Rauschen tönt Gesang.
Und Freude schifft auf ihrer Welle,
die weckt der Lieder holden Klang
und wer aus ihrer Flut sich labet,
der wird zum G*tt, wird hochbegabet,
der schwebt mit Adlerflügelschnelle
empor zum Licht im heil'gen Drang!
Kein besserer Freund – kein schlimmerer Feind!
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Es bedanken sich: Paganlord


Nachrichten in diesem Thema
Bragi - von Balu - 02.02.12005, 23:14
RE: Braga - von Hælvard - 16.02.12016, 21:14
RE: Bragi - von Benu - 21.02.12016, 01:12
RE: Bragi - von Hælvard - 24.02.12018, 18:20
Vom Ursprung der Dichtkunst - von Hælvard - 20.03.12018, 17:17
[Kein Betreff] - von Hælvard - 04.02.12005, 09:30

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