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Cathbad (keltischer Erzdruide) trifft Caesar
#16
»Wirst du jetzt die Zeichen deuten, Cathbad?« wollten die drei Männer wissen?
»Ja, zweimal. Einmal für das Heer und einmal, um den wahren König Galliens zu erfragen.«

Sie standen jetzt inmitten von Dagdas Hain, in dessen Mitte eine Quelle in einen tiefen, kleinen See sprudelte.

»Taranis liebt das Feuer, Esus die Luft und Dagda das Wasser. Die Erde gehört der großen Mutter Dann. Da sich weder Feuer noch Luft mit der Erde vermischen können, hat Dann sich mit Dagda, dem Wasser, vermählt.« so begann Cathbad seine Zeremonie.

An diesem Tag sollte das Opfer allerdings nicht ertränkt werden. Cathbad war gekommen, um die Zeichen zu deuten, nicht um zu opfern. Das Opfer, ein eigens zu diesem Zweck gekaufter germanischer Sklave, lag nackt und ungefesselt und mit dem Gesicht nach unten auf dem Altar, einer einfachen Steinplatte. Entsprechend einem uralten Ritual sang Cathbad mit seiner schönen, klaren Tenorstimme Gebete. Das Opfer zeigte keinerlei Reaktion, denn man hatte es unter starke Drogen gesetzt, damit seine Bewegungen, die gedeutet werden sollten, nicht auf Angst- oder Schmerzen zurückgingen.

Gutruatus kniete in einiger Entfernung nieder, während Cathbad ein langes, zweischneidiges Schwert ergriff. Es bereitete ihm sichtlich Mühe, die unhandliche Waffe aufzunehmen, doch gelang es ihm schließlich mit fest auf den Boden gestemmten Füßen und unter Aufbietung all seiner Kräfte. Mit beiden Händen hob er die Klinge über den Kopf, und mit vollendeter Präzision sauste sie nieder, fuhr dem Opfer unterhalb der Schulterblätter in den Rücken und durchtrennte die Wirbelsäule so glatt, daß sie fast im selben Moment auf der anderen Seite wieder zum Vorschein kam.

Das Opfer begann zu zucken. Cathbad stand in seinem makellos weißen Gewand daneben und verfolgte jede Bewegung aufmerksam. Er beobachtete, wie die Glieder hin- und herfuhren, wie Kopf, Arme, Schultern oder Beine von Krämpfen geschüttelt wurden, Finger und Zehen zuckten und das Gesäß ein letztes Mal erzitterte. Es dauerte lang, aber Cathbad bewegte sich nicht, nur seine Lippen formten sich jedesmal, wenn die Bewegungen des Opfers kurz aussetzten, zu stummen Worten.

Als alles vorbei war, seufzte er, aus seiner Versenkung erwachend, und sah die drei gallischen Häuptlinge müde an. Zwei Diener traten hervor und näherten sich dem Altar, um ihn abzuräumen und zu reinigen.

»Und?« fragten die drei Männer wie aus einem Mund?
»Ich konnte nichts sehen ... Die Bewegungen waren durcheinander, ich konnte kein Muster erkennen.«
»Überhaupt nichts?«
»Ein wenig. Auf meine Frage, ob Vercingetorix sterben würde, zuckte der Kopf sechsmal in gleicher Weise, was ich auf noch sechs Lebensjahre für Vercingetorix deute. Aber als ich fragte, ob Caesar besiegt werden würde, rührte sich überhaupt nichts - wie soll ich das verstehen? Ich fragte auch, ob Litaviccus König werden würde, und die Antwort lautete nein. Das wenigstens war eindeutig. Dann wollte ich wissen, ob du Gutruatus König werden wirst, und die Antwort war ebenfalls nein. Die Füße des Opfers tanzten, was bedeutet, daß du schon bald sterben wirst. Sonst konnte ich nichts erkennen.«

Der Druide sank erschöpft gegen Gutruatus, der ihn zitternd und kreideweiß im Gesicht anstarrte. Die beiden Haeduer stahlen sich fort. Litaviccus wischte sich den Schweiß von der Stirn; seine Welt lag in Trümmern. »Ich werde nicht König von Gallien sein« flüsterte er. Surus fuhr sich mit zitternden Händen über die Augen. »Gutruatus auch nicht. Er wird bald sterben, was Cathbad von dir nicht gesagt hat.«
»Ich weiß die Antwort auf die Frage nach Caesars Niederlage, Surus. Daß sich nichts bewegt hat, heißt, daß Caesar siegen und in Gallien alles beim Alten bleiben wird. Cathbad weiß das, er konnte es uns Heerführern aber nicht sagen. Wie sollte er sonst den weiteren Krieg gegen Caesar rechtfertigen.«

Sie gingen an dem Bach entlang, der aus Dagdas See floß, zwischen den am Ufer aufgestellten hölzernen Götterstatuen hindurch. Blütenstaub und in der Luft schwebende Samen flimmerten in den goldenen Lichtbahnen der untergehenden Sonne, die das Dämmerlicht der uralten Bäume durchstießen, das Grün zum Erglühen brachten und das Braun vergoldeten.

»Was willst du jetzt tun?« fragte Surus, als sie aus dem Wald traten und sahen, daß noch immer neue Krieger zum Versammlungsplatz strömten, auf dem Krieger und Pferde lagerten, soweit das Auge reichte.
»Ich gehe von hier weg, soll ein anderer Mann diese Krieger nach Alesia führen.« Litaviccus wischte sich Tränen aus den Augen.
»Ich komme mit!«
»Das verlange ich nicht von dir, Surus. Rette, was du kannst. Caesar wird die Haeduer brauchen, um Galliens Wunden zu schließen. Ich kann es einfach nicht glauben! Wie kann er jemals siegen, dieser Caesar, es ist gar nicht möglich! Und doch - es wird so geschehen.«

Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!
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