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Rispebjerg – das dänische Goseck
#10
Die Beträge über Hünengräber haben mich inspiriert, deshalb hier aus einem Buch über Archäologie folgendes:


Hünengräber

Das Zerstörungswerk hat freilich schon früher begonnen. Schatzgräberei war bereits im Altertum ein viel geübter und einträglicher Sport, wahrscheinlich sind auch die Großsteingräber bereits damals Objekte geheimer Ausbeutung gewesen. Dem entspricht in der Regel das magere Fundergebnis bei neueren Grabungen.

Mit dem mehr oder weniger systematischem Abbau dürfte spätestens in den Jahrhunderten der Chr*stlichen Missionierung begonnen worden sein. Die Kirche konnte damit – wie auch bei der Abtragung der Römerbauten an Mosel, Rhein und Donau – einen doppelten Affekt erzielen: Heidenwerk vernichten und Material für ihre eigenen Bauten gewinnen. Wer die Heide aufmerksam durchwandert, entdeckt in den Mauern der Gotteshäuser tatsächlich zahlreiche erratische Blöcke. So scheint Steinkammer – Dorado in der Umgebung des „Bräutigam“ der karolingischen Alexanderkirche in Wildeshausen manchen Findling geliefert zu haben.

Ein neuer Akt in diesem Drama der Zerstörung begann, als die verfeinerten technischen Mittel der Neuzeit, insbesondere die Erfindung des Pulvers, die schnelle Zerkleinerung der schweren Granitblöcke ermöglichte. Eine Greifswalder Notiz aus dem Jahre 1594 besagt, daß Hünengräber zum Zweck der Steingewinnung abgebaut worden seien. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts ließ das Ludgeri-Kloster bei Helmstedt die Blöcke eines Grabens auf dem schwarzen Berge zertrümmern und in das Fundament eines neuen Konventsgebäudes versetzen. Dasselbe Schicksal wäre den Lübbensteinen widerfahren, wenn nicht der damalige Herzog Karl von Braunschweig einen derartigen Mißbrauch barsch untersagt hätte.

Trogillus Arnkiel, der als Altertumsfreund bekannte Probst von Apenrade, beklagte sich 1703 darüber, daß die Grabsteine der „uralten mitternächtlichen Völker“ zu gemeinen Brücken verwendet würden. Der Handel mit Findlingen, vor allem nach dem steinarmen Holland, nahm schließlich solche Ausmaße an, daß 1728 ein Dekret der Hannoversche Landesregierung wenigstens den Export von Hünensteinen untersagte. Auch der um Niedersachsens Urgeschichte hochverdiente Pfarrer Martin Mushard beschäftige sich 1755 mit der andauernden Vernichtung der Hünenbetten und stellte resigniert fest: Nunmehr, da die meisten gesprenget werden …

Trotzdem gab es noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts Tausende von steinernen Grabkammern in Deutschland. Den Auftakt zu einem neuen Vernichtungsfeldzug gab 1811/12 der von Kaiser Napoleon angeordnete Bau der Heerstraße Wesel – Hamburg, die auf ihrem Lauf viele Steingrabfelder passierte. Die betroffenen Gemeinden erhielten den Befahl, Arbeitskräfte und Matrerial zu stellen. Beides geschah auf eine sehr einfache Weise. Die Bürgermeister verpflichteten die gesamte arbeitsfähige Bevölkerung zum Straßenbau. Und die besorgte sich, was sie brauchte, indem sie die großen Steinkammergräber nach Herzenslust sprengte, spaltete und zerschlug. Zahllose Hünenbetten endeten in diesen Jahren als Straßenschotter. Dasselbe Schicksal widerfuhr den Steinpackungen der von der neuen Trasse angeschnittenen bronzezeitlichen Hügelgräberfelder.

Es heißt, daß vor allem die Bauern an dieser ersprießlichen Art der Grabsteinverwertung Gefallen gefunden hätten. Die Reisenstuben dienten fortan also nicht nur dem Ausbau der Chausseen, sondern auch der Fundamentierung von Häusern, Scheunen und Hofmauern.
Dazu trug entscheidend bei, daß mit der Aufteilung der Marken viele Grabanlagen, die bisher Gemeindeeigentum waren, in Privatbesitz übergingen und nach Wunsch veräußert werden konnten. Die Ökonomen, die sich bisher damit begnügt hätten, die Hünengräber als Schafställe und Kartoffelmieten zu benutzen, machten von dieser Möglichkeit satten Gebrauch.

Die Behörden bewiesen unverkennbar guten Willen, diesem Vandalismus Einhalt zu gebieten.
Die einen versuchten es mit Paragraphen, wie die Landdrostei von Stade, die 1855 das weitere Abreißen von Hünengräbern unter Strafe stellte, die anderen mit gutem Zureden, wie die Landdrostei Osnabrück, die 1839 ihrer vorgesetzten Stelle in Hannover meldete, sie sei ständig bemüht, den Eigentümern der Gräber „ein Interesse und eine gewisse Pietät für denselben mitzutheilen“.

Der Erfolg war gering. Vokabeln wie Volkssinn, Ehrfurcht, Vaterlandsliebe und Heimattreue, mit denen die Instanzen eifernd zu Felde zogen, hatten angesichts der klingenden Taler, welche die Straßenbaufirmen für den „Hünenschotter“ springen ließen, nur mäßige Überzeugungskraft. Was half es schon, wenn ein passionierter Gräberforscher wie der osnabrückische Obersteuerinspektor Otto Grote 1852 seinen Landsleuten Geschichtsurkunde, Gleichgültigkeit, Eigennutz, selbstsüchtige Roheit und andere schlimme Eigenschaften vorwarf. Seine Worte erreichten bestenfalls einen kleinen Kreis sowieso gleichgestimmter Seelen, nicht aber die Ohren, für die sie bestimmt waren.


So wie aus den Worten hervorgeht, ist das Bewußtsein für die Altvorderen schon sehr lange abhandengekommen. Und was denken die Geister in den Hünengräbern wohl vom Plastikabfall in ihren Betten?
aromarin - Haut wie Samt und Seide
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Nachrichten in diesem Thema
Die Unterirdischen - von Paganlord - 09.08.12015, 19:13
RE: Rispebjerg – das dänische Goseck - von Hemera - 09.08.12015, 21:45
RE: Rispebjerg – das dänische Goseck - von Gast aro - 20.09.12015, 20:18

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