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Die Geschichte des Glaukos
#6
Was zuvor tatsächlich geschah, nachdem Minos den Seher in die Gruft zu seinem toten Sohne warf:

Bote:
Grauenerfüllt nah' ich mich dir, schreckengelähmt
ist mir die Zung in meinem Munde von dem Graun,
das mir erschien. Weh mir, weh Allen, weh auch dir,
o König! Solche Schrecken sah die Welt noch nicht.

Chor:
Sind die Säulen gestürzt des stürmentrotzenden Bau's?
Forderte brausend die zornige Erde
zurück von den Mauern die Steine,
die den Frevel umschlieſsen der lebentödtenden Gruft?

Zersprang das eherne Thor von Hefästos Hand,
vor dem Anblick des Frevels, wie reiner Krystall
zerreißt vor des Giftes mordendem Duft?

Bote:
Es steht das steinerne Gebäu von Menschenhand
doch aufgethan zum Schrecken der Lebendigen
ist die demantne Pforte von Aidomeus Haus,
und zu den Menschen, durch die zitternde Erd' empor,
steigen die Schatten aus dem offnen Ades auf.

Chor:
Eile, König, o schnell büße den Frevel ab!

Minos:
Sprich klare Worte, sinnlos dünkt mich, was du sagst.

Bote:
Ich stand am Grabe, dem du mich zum Wächter gabst;
und horchte traurig auf des Lebendtodten Ruf,
um mich im Kreise sammelten die Menschen sich,
und forschten nach der schreckenvollen Strafe Schuld,

viel Jammerworte rufend in die Gruft hinab.
Auf einmal tönte wunderbarer Stimmen Schall
tief in dem Grab, und um uns her erhob sich Sturm,
und dicht in schwarze Wolken hüllte sich das Licht
der Sonne. Schrecken faßte rings umher das Volk;

es ahndete der Rachegötter schweren Zorn,
und sprengen wollt' es deines Grabmals festes Thor,
mit Aufruhr drohend, weil du solches Leid erregst
dem Volke durch die frevelvolle Missethat.

Denn in dem Grab vernahmen sie der Schatten Wort;
des ernsten Minos schauervollen Richterton
erkannten Greise, die den König einst gesehn.

Auch Glaukos Stimme drang hervor aus tiefer Gruft,
und freundlich tröstend sprach sie mit Polyidos.
Ergriffen von der finstern Grabbewohner Macht
floh mit emporgetriebnem Haar das Volk hinweg,

ich eilte über das erzitternde Land zu dir,
daß du uns rettest; denn bey dir nur ist die Macht.

Chor:
O Jammer! erfüllt ist des Sehers Wort,
und schrecken senden die Rächenden dir
auf das schuldbelastete Haupt!
Denn du stießest das Leben hinab in die Gruft,
und zum gräßlichen Lohne
gibt seine Todten zurück das Grab!

Minos:
Hab' ich gefrevelt, daß ich rächte meinen Sohn?

Chor:
So, König, zeugen Schatten aus der schwarzen Gruft!

Minos:
Zum Opfer meinem Sohne bracht' ich seinen Feind.

Chor:
Doch sprach nicht feindlich Glaukós in der Gruft zu ihm.

Minos:
Weh mir, mich faßt der schwarzen Eumeniden Macht!
Weg Diadem, du zierst kein schuldbelastet Haupt.
Wahr sprach der Seher, wer den Göttern will entfliehn,
gewinnt nichts, als zum Unglück, das ihn trifft, die Schuld!

Freywillig stell' ich mich vor deinen Richterstuhl,
ehrwürdger Ahnherr! laß mein eignes Opfer dich -
versöhnen mit dem fluchbeladnen Opferer,
daß nicht die unerbittlichen Erinnyen
mich grimmig noch verfolgen in das Schattenreich.

Mit eignem Opferblute will ich sühnend selbst
mich reinigen durch meine königliche Hand
von dieser Schuld, die selbst den Ades hat empört,
daß er heraufsteigt mit der Eumeniden Chor.

Schwing' nun, Erinnys, deiner schwarzen Fackel Brand,
doch lösch' ihn bald besänftiget in meinem Blut!

Chor:
Halt ein, König, halt ein, schaue die Lichtgestalt!
Aus dem Thor des Palasts tritt sie segnend hervor.



Und so endet die Sage:

Minos:
(Erste Gegenstrofe)
Ferne sey, was du redest von uns,
daß erfüllt sey durch die nächtliche Gruft,
was dir verhießen die Göttersprüche.

Denn du selbst bist warlich den Himmlischen gleich;
Freude bringest du mir, Segen dem Land!

Chor:
(Zweite Gegenstrofe)
Gewendet hat sich,
Seher, des Königes Sinn.
Nun höre das Flehen des Volks,
verweile bei uns in dem Lande;
denn wo du wandelst, da sind
nicht die Götter fern, Segen erfüllt das Land!

Polyidos:
Des Sehers Fuß darf nimmer rasten in dem Land;
der Welt gehörend ist er jeder Heimath fremd,
und wie sein Geist in jeder Zeiten Ferne lebt,
so muß sein Leib sich keinem Land der Erd' entziehn.

Der Götter Leitung folg' ich; sicher zeigt ihr Ruf
mir an, wohin ich meine Schritte lenken soll.

Minos:
Der Götter Wort zu ehren, hast du mich gelehrt;
so dräng ich denn die Bitte tief ins Herz zurück.
Doch dies gestatte, daß die königliche Pracht,
die dich als meinen ersten Gastfreund im Palast
umfangen sollte, dich begleit’ auf deinen Weg.

Eilt jetzt, ihr Diener, zu vollziehen mein Gebot.
Aus meines Hauses tief verborgenstem Gemach
bringt mir herbei den auserwählten Königsschmuck.

Der breite Saum des weiten Purpurmantels prangt
mit goldnen Zweigen, die, vom edelsten Gestein
in tausend Farben glänzend, nie verwelkend blühn,
und lieblich schimmern von der Perlen reinstem Thau.

Den Gürtel nehmt, der von der Diamanten Pracht
hell leuchtend wie Orions Sternengürtel glänzt.
Die goldnes Licht verbreitenden Sandalen bringt,
und dann des Königshauptes hohen Herrscherschmuck.

Das königliche Prachtgewand legt dann ihm an,
und seine Knie ihm beugend ehr' ihn alles Volk.
Von goldnen Bechern suchet dann die prächtigsten
an edlem Stoff und an der Arbeit hoher Kunst.

Vergeßt auch nicht die golddurchwirkten Teppiche,
und seidenschwerer, purpurner Tapeten Wand,
der Ringe und der Ketten kostbar schwer Gewicht,
und goldener Dreyfüße schön geschmückte Pracht;

daß eines Meerschiffs volle Ladung meinen Gast
in jedes Reich begleite, das sein Fuß betritt,
und Königswürde ihn umgebe, wo er weilt.

Polyidos:
Der Gaben königliche Fülle weis' ich nicht
zurück, doch mir nicht, sondern dem allsehenden
Retter Apollon, ihm allein gebührt der Preis!

In seinen Tempel leg' ich nieder dein Geschenk,
für meine Rettung dankend, flehend für dein Heil.
Leb wohl, o König, Glaukos, Kreter, lebet wohl!
(Polyidos geht ab.)

Chor:
Weise lebt und glücklich, welcher zu den Göttern
hingewandt, still vertrauend ihres hohen Willens
Schlüssen sich ergibt;

denn es lenkt kein Erdgeborner mit vorsichtger
Klugheit ab, was von Ewigkeit der Götter heilges
Auge hat geschaut.

Darum strebe nie des Menschen Sinn, von eitlem
Wahn bethört, -
daß er um sich schauend, des Geschickes Mächten
mög' entfliehn;
denn der Götter Wort ist ewig, und das Schicksal
eilt heran –
Nichts erringt der Mensch, als zu dem Unglück, das
ihn trifft, die Schuld.
Im A & O das Geheimnis liegt - Omega siegt!
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Es bedanken sich: Erato , Paganlord , Ajax


Nachrichten in diesem Thema
Die Geschichte des Glaukos - von Erato - 07.10.12018, 14:28
RE: Die Geschichte des Glaukos - von Hernes_Son - 09.10.12018, 23:29
RE: Die Geschichte des Glaukos - von Paganlord - 10.10.12018, 09:50
RE: Die Geschichte des Glaukos - von Hælvard - 10.10.12018, 18:40
RE: Die Geschichte des Glaukos - von Hernes_Son - 10.10.12018, 20:32
RE: Die Geschichte des Glaukos - von Hernes_Son - 10.10.12018, 23:43

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