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Gudrun Wagner gestorben
#9
So dann meine Eindrücke von der besagten "Hasifal"-Inszenierung, obwohl ich nicht für mich in Anspruch nehmen kann, hinterher mit Herrn Schlingensief persönlich gesprochen zu haben.

Als Voranmerkung sei jedoch gesagt, daß es sich erst um meinen zweiten Parsifal überhaupt handelt. Der erste Parsifal war die Konwitschny-Inszenierung, die mir damals sehr gut gefallen hat und dementsprechend war ich sehr gespannt, wie Schlingensief Wagners opus ultimum interpretieren würde.

Zu meiner Enttäuschung: überhaupt nicht. Die Voraussetzung einer gelungenen Inszenierung ist meiner Meinung nach eine gute Personenführung, und die ist bei allem guten Willen meinerseits einfach nicht vorhanden. Die Charaktere wandeln über die Drehbühne von einem zum nächsten Bild: Aktionismus statt Analyse.

Man fragt sich auch, ob Schlingensief sich nicht mehr mit Sekundär- und Tertiärliterliteratur als mit dem Primärtext auseinandergesetzt hat. Als Beispiel sei die Auftrittsszene Parsifals angeführt, in der Gurnemanz den Bogen Parsifals zerbricht und nicht der Schütze selber ob der Erkenntnis einer vollkommen obsoleten Gewaltaktion.

Zu viel Wirbel haben die Projektionen und Filmeinspielungen geführt. Diese gefallen mir durchaus, aber weniger wäre deutlich mehr gewesen. Grob überschlagen finden diese während einem Drittel der gesamten Inszenierung statt. Zu oft erzeugen diese aber dann eine optische Reizüberflutung, der ich einfach nicht mehr Herr werden konnte.

Um diese Filmsequenzen zu präsentieren, bedarf es natürlich einer gewissen Dunkelheit auf der Bühne, was wiederum darin resultiert, daß der Zuschauer oft nur erahnen kann, was da eigentlich auf der Bühne passiert. Da diese zudem mit zahllosem Sperrmüll vollgestellt ist, lassen sich die Darsteller selbst bei hellerem Licht kaum ausmachen. So habe ich während des gesamten Abendmahles im ersten Aktes vergeblich versucht, irgendwo Titurel ausfindig zu machen. Schade !

Das Bühnenbild selber ist Geschmackssache, für den ersten und dritten Akt stört mich die afrikanische Township-Atmosphäre nicht sonderlich, im zweiten Akt dafür umso mehr, da die selbe trostlose Stimmung wie in den anderen Akten vorherrscht und es für Parsifal eigentlich keinen Grund zum Pause machen mit den (überaus häßlich kostümierten) Blumenmädchen gibt. Daß Klingsor mit einer Rakete verschwindet, wird im Publikum mit Schmunzeln vernommen.

Schlingensief hat sich laut mehrerer Zeitungsartikel stark von seinem Arbeitsaufenthalt/ Urlaub in Deutsch-Südwestafrika bzw. Namibia inspirieren lassen. Schön und gut, aber die Interpretation eines derart komplexen Werkes sollte weniger vom letzten Urlaubsort als von einer gründlichen Werkanalyse abhängen!

Schlingensief hat dabei mehrere interessante Überlegungen angestellt (z. B. die ständig wiederkehrenden Hasen, weswegen ich die Schlingensief Aufführung scherzhaft Hasifal nenne), aber diese fügen sich einfach nicht zu einem großen Ganzen. Weder emotional noch intellektuell konnte mich daher dieser Parsifal ansprechen.

Es soll dennoch erwähnt werden, daß es Szenen gab, die ich beeindruckend fand, wenngleich sie nur isoliert betrachtet sinnstiftend waren. Wenn während des Abendmahles Vertreter unterschiedlichster Religionen ihre blutigen Hände auf das blütenweiße Gewand Parsifals drücken entsteht ein ungeheuerlich beeindruckendes Moment. Man spürt die unterschiedlichsten Heilswünsche der Mitglieder der Gralsrunde, und die Überforderung Parsifals, diesen jemals gerecht werden zu können.

Musikalisch war die Inszenierung überzeugender:

Die Chöre fantastisch und das Orchester sehr zügig und transparent. Manchmal hätte ich mir jedoch ein Quäntchen mehr an musikalischem Kitsch gewünscht, z. B. in der Ouvertüre.

John Wegners Klingsor ist spielfreudig und ungemein stimmstark. Toll und für mich die Überraschung des Abends !

Buhrmesters Amfortas gefällt ebenfalls, selten konnte man sich am Leiden eines Anderen derart erfreuen ...

Wottrichs Parsifal ist im ersten Akt noch etwas zurückhaltend, aber durchaus rollendeckend. Den zweiten Akt präsentiert Wottrich dann aber wirklich beeindruckend, sein "Amfortas" beeindruckt schwer. Im dritten Akt sind die lyrischeren Passagen immer noch gut, aber am Ende "Nur eine Waffe taugt" geht Wottrich dann die Kondition aus und muß stark forcieren. Knackpunkt ist jedoch Wottrichs hörbares Lispeln, das ich einfach nicht ignorieren konnte und als störend empfand.

De Youngs Kundry ist im ersten Akt eine Enttäuschung. Ihr "Fragt nicht weiter. Ich bin müde" klingt wie eine Dame der High Society die soeben einen anstrengenden Einkaufsbummel hinter sich gebracht und keineswegs wie eine stets irrende, gequälte Kreatur. Im zweiten Akt erfolgt jedoch eine ungeheuere Steigerung, die Verführerin liegt de Young erkennbar besser. Sie ist sicher keine Waltraud Meier, aber als gelungen läßt sich ihre Leistung allemal bezeichnen.

Holls Gurnemanz hat einen schönen Bass, auch wenn er gelegentlich etwas ins Nasale rutscht, aber keineswegs so stark wie Rootering. Dabei klingt er glücklicherweise nicht so altväterlich wie ich Kurt Moll noch in Erinnerung habe. Irgendwie bleibt er trotz stimmlicher Qualität jedoch etwas blass.

Der Vorhang war kaum gefallen, als sich die ersten Buhrufer meldeten. Als Gegenreaktion ein Mehr an Bravorufer. Am meisten Applaus bekam Robert Holl, gefolgt von Wottrich. Insgesamt 17 Minuten Applaus, wobei die Vorhänge der letzen sieben Minuten nur von ein paar Wenigen erklatscht wurden.
Was man will – nicht was man wünscht – empfängt man.

Cosima Wagner
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