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Alexander, wie alles begann
#5
Philipp, der Vater Alexanders

König Philipp von Makedonien trat hart auf die gepflasterte Straße der Insel Samothrake. Er betrachtete die Abfallrinnen, die erhöhten Gehsteige, die weißen zweigeschossigen Häuser und die sauberen, buntgekleideten Menschen. Seine Stimme klang verdrossen und zugleich bewundernd, als er sich an seinen Feldherrn Parmenion wandte: "In Pella, die meine Hauptstadt ist, gibt es zuviel Dreck. Aber hier haben sie dank der Götter genug Geld. All die Drachmen, die die Reisenden hinterlassen."

Aristandros, der ebenfalls zum Gefolge des Königs gehört und Priester in Samothrake ist antwortet: "Du könntest ja Pella oder Aigai, die die alte Hauptstadt ist, auch zum Mittelpunkt eines erhabenen Kultes machen." Philipp schnaubte. "Der Preis ist mir zu hoch. Wer würde den König noch verehren, wenn nebenan ein Tempel der Götter steht? Wer würde den König noch um Rat fragen, wenn die Hohepriesterin gleich nebenan residiert? Nein - es ist schon richtig wie es ist. Samothrake ist ein würdiger Ort für unsere Götter, und ich neide ihren Wohlstand und den der Priester nicht. Es besitzt seine Notwendigkeit, und zudem kann ich nicht jedem Bettler in Pella einen Palast bauen, nur um das Bild der Stadt zu verschönern. Hier auf Samothrake wohnen die Priester, und so soll es bleiben."

Die Straße mündete in einen von Zypressen beschatteten Platz mit Bogengängen. Im Eingang eines Hauses, vor dem eine üppige Aphrodite prangte, lehnten fünf junge Frauen. Philipp lächelte und verbeugte sich kurz. "Ah ja. Es gibt also auch Priesterinnen der angenehmsten Art hier." Der Priester Aristandros berührte Philipps Arm. "Spar deine Kraft für den Tempel - du wirst sie brauchen. Im Tempel wird man dir eine Priesterin zur Seite stellen, für die Dauer der Zeremonien. Sie soll Mittlerin zwischen dir und der Götterunde sein, aber verlange keine anderen Dienste von ihr! Hörst du Philipp?" Der König der Makedonen nickte mürrisch. Aristandros nickte ebenfalls. "Wir sehen uns morgen früh - wir alle" und er nickte auch Parmenion zu. "Kommt nüchtern, und enthaltet euch der Fleischspeise."

Parmenion geleitete den Priester einen Stück den Gang entlang. Halblaut sagte er: "Du kennst ihn doch, Aristandros. Wenn du wirklich Wert darauf legst, daß er die Finger von der Priesterin läßt... Du weißt, Philipp kann keiner Frau widerstehen und keine Frau ihm. Es ist eine Art Naturgesetz." Parmenion lächelte verschmitzt. Dann fuhr er fort: "Du hättest ihm sagen sollen, die Priesterschaft legt allerhöchsten Wert darauf, daß er mit dieser Priesterin beischläft. Vielleicht hätte Philipp es dann unterlassen." Aristandros blinzelte: "Ach ja?" und verabschiedete sich von Parmenion.

Parmenion sah hinter dem Priester und den beiden Helfern her, die sein Gepäck trugen, kratzte sich den Nacken und murmelte: "Also was soll das nun wieder werden, wenn es fertig ist?" Jedoch hatte er gelernt, den Priestern zu vertrauen und wußte, daß sie weitblickender waren. Weitblickender als selbst der König es war, dem Parmenions ganze Loyalität galt. Die Priester lenkten die Geschicke des Reiches, das älter war als Makedonien, älter als Griechenland und sogar älter als Ägypten. Parmenion wußte, daß der Tempel sowohl das Richtige, als auch das Notwendige tat - und daß sich der Tempel nicht von den Emotionen der Menschen, noch von ihren Dünkeln oder Vorlieben beeinflussen ließ. Der Wille der Göttin, die die große Mutter ist, nahm in den Werken der Priester lebendige Gestalt an, und manches Mal war auch eine kleine List notwendig, um die sture Logik und Emotion der einfachen Menschen und sogar die der Könige zu überzeugen.

Parmenion lächelte. Auch er wurde von den Priestern geschickt beraten. Und selbst wenn er nicht alle Geheimnisse erfuhr und hin und wieder eine Priesterlist notwendig gewesen war, um ihn von der Richtigkeit einer Sache zu überzeugen, so hat ihn der Rat der Priester stets zu Erfolgen geführt - sofern er ihn konsequent umgesetzt hatte. Was würden die einfachen Menschen nur tun ohne die Priester? Und selbst die Könige könnten nicht regieren, ohne den weisen und vorausschauenden Rat des Tempels.

"Die Welt würde in einem Chaos versinken", sagte Philipp, als ob er die Gedanken des Parmenions verstanden hätte. Und dann fuhr Philipp fort: "Es würde nicht lange dauern, und eine neue Religion würde sich zu den Ratgebern der Menschen und Könige emporschwingen, jedoch nur Verderben und Verderbtheit bringen."

Parmenion nickte, und der König sprach weiter: "Es gibt viele, die auf die Priester neidisch sind. Sie beneiden sie aufgrund ihres Wohlstandes, sind aber selbst nicht in der Lage taugliche Ratschläge zu erteilen. Es ist der Neid der Minderwertigen auf das Gute, und ich bin in Sorge, daß die Menschen die Arbeit der Priester und Priesterinnen nicht genug schätzen und würdigen, weil sie für einfache Gemüter nur schwerlich zu erkennen ist."

"Natürlich weiß ich, daß die Priester etwas planen", sagte Philipp. "Sie wollen mir diese Priesterin, die mir angeblich nur als Vermittlerin dienen soll, als Gefährtin und Königin zur Seite geben."

Parmenion sah seinen König erstaunt an, doch Philipp fuhr fort: "Natürlich lasse ich mich darauf ein. Es wäre töricht, den Rat der Priester und den Willen des Tempels zu ignorieren. Ich will nur hoffen, daß die Frau von ansehnlicher Gestalt und vornehmen Blutes ist, einer Königin würdig."

"Du läßt Dich also darauf ein und wirst die Priesterin zu unser aller Königin machen?" fragte Parmenion nach, um ganz sicher zu sein.

"Ich werde es tun!" sagte Philipp "... aber auf meine Weise - so wie es sich für meinen Ruf als starker und furchtloser König der Makedonen geziemt." Parmenion schaute fragend. Philipp legte ihm die Hand auf die Schulter und sprach geheimnisvoll: "Laß dich überraschen, mein Freund und Oberster Feldherr! Ich werde die Priesterin bereits morgen heiraten und unseren lieben Aristandros damit völlig überraschen." Philipp lachte aus ganzem Herzen und voll unheimlicher Vorfreude auf seine morgige Tat.

Dann schaute Philipp zur gerade untergehenden Sonne, die wie ein roter Feuerball fern im Meer verschwand. "Der morgige Tag beginnt in wenigen Stunden. Es ist der Tag, der mir eine Frau und den Makedonen eine Königin bescheren wird. Laßt uns schlafen, damit wir voll Kräften zur großen Tat schreiten können."

Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!
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Alexander, wie alles begann - von Paganlord - 07.05.12005, 14:16
[Kein Betreff] - von Paganlord - 07.05.12005, 14:47
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