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Antike Reden und Legenden
#3
Gaius Popilius Laenas

Es war einmal ein sehr schlechter und böser König, der hieß Antiochus. Er war nicht der erste König von Syrien mit Namen Antiochus und auch nicht der größte – sein Vater hatte sich bereits Antiochus der Große genannt, deshalb hatte er eine Zahl hinter seinem Namen. Es war Antiochus IV. Obwohl sein Land reich war, gelüstete es ihn nach dem benachbarten Königreich Ägypten. Dort herrschten gemeinsam seine Vettern Ptolemaios Philometer und Ptolemaios Euergetes der Dicke und seine Cousine Kleopatra. Kleopatra war die zweite ihres Namens, auch sie hatte deshalb eine Zahl hinter ihrem Namen, Kleopatra II. Obwohl sie Bruder und Schwester, Mann und Frau waren, kämpften sie seit Jahren gegeneinander und hatten das schöne und fruchtbare Land am Nil schon fast zugrunde gerichtet. Als König Antiochus beschloß, Ägypten zu erobern, rechnete er fest damit, daß er wegen des Zwistes zwischen den beiden Ptolemaios und Kleopatra leichtes Spiel haben würde.

Kaum hatte er Syrien verlassen, da zwangen ihn einige aufsässige Untertanen umzukehren. Zur Strafe für diesen Ungehorsam ließ er etliche Köpfe abhacken, einige Körper verstümmeln und einige Zähne ziehen. Es dauerte vier Jahre, bis König Antiochus sein aufständiges Volk der alten Ordnung unterworfen hatte und zum zweiten Mal aufbrechen konnte, um Ägypten zu erobern. Diesmal war Syrien während seiner Abwesenheit ruhig und gehorsam. König Antiochus fiel also in Ägypten ein, eroberte Pelusium und zog dann das Nildelta hinauf bis Memphis. Er eroberte auch Memphis und marschierte dann das Delta auf der anderen Seite in Richtung Alexandria hinunter.

Die Brüder Ptolemaios und ihre Schwester Kleopatra hatten Land und Armee ruiniert, und so blieb ihnen nichts übrig, als Rom gegen König Antiochus zu Hilfe zu rufen, da Rom der beste und größte aller Staaten war. Sie schickten den vornehmen und tapferen Konsular Gaius Popilius Laenas nach Ägypten. Jedes andere Land hätte seinem Helden eine große Armee mitgegeben, aber der Senat und das Volk von Rom gaben Gaius Popilius Laenas nur zwölf Liktoren und zwei Sekretäre mit. Die Liktoren durften, da es ins Ausland ging, rote Tuniken tragen und in die Rutenbündel das Beil stecken. Gaius Popilius Laenas war also nicht ganz ohne Schutz. Und dann machten sie sich in einem kleinen Schiff auf den Weg und langten in der großen Stadt Alexandria an, als König Antiochus gerade den in Kanopos mündenden Nilarm in Richtung Alexandria hinuntermarschierte. Dorthin waren nämlich vor Angst die Ägypter geflohen.

Angetan mit seiner purpurgeränderten Toga und hinter den zwölf karmesinrot gekleideten Liktoren einherschreitend, verließ Gaius Popilius Laenas Alexandria durch das Sonnentor und marschierte nach Osten. Er war kein junger Mann mehr, mußte sich beim Gehen bereits auf einen langen Stab stützen, und sein Schritt war so gemächlich wie seine Miene friedvoll. Er kam schließlich in die Nähe des riesigen Hippodroms, in dem die Alexandriner Pferderennen veranstalteten, und stieß auf einer Mauer syrischer Soldaten und wurde so gezwungen anzuhalten. König Antiochus kam Gaius Popilius Laenas entgegen.

„Rom hat in Ägypten nichts zu suchen!“ sagte der König und runzelte unheilverkündend die Stirn.

„Syrien hat in Ägypten auch nichts zu suchen“, entgegnete Laenas und lächelte heiter und gelassen.

„Kehre nach Rom zurück“, befahl der König.

„Kehre nach Syrien zurück“, sagte Laenas.

Aber keiner der beiden wich auch nur ein Zoll zurück.

„Du kränkst den Senat und das Volk von Rom“, sagte Gaius Popilius Laenas, nachdem er das wilde Gesicht des Königs eine Weile betrachtet hatte. „Ich bin beauftragt, dafür zu sorgen, daß Du nach Syrien zurückkehrst.“
Der König begann zu lachen und wollte gar nicht mehr aufhören.

„Und wie willst Du das erreichen?“ fragte er schließlich. „Wo ist deine Armee?“

„Ich brauche keine Armee, König Antiochus. Alles, was Rom ist, war und sein wird, steht in diesem Moment vor Dir. Ich bin Rom, genauso wie ich Roms größte Armee bin. Und ich fordere Dich im Namen Roms abermals auf: Kehre nach Hause zurück!“

„Nein“, erwiderte König Antiochus.

Da trat Gaius Popilius Laenas ruhig vor und zog mit seinem Stab im Staub einen Kreis um den König.

„Bevor Du diesen Kreis verläßt, König, denke genau nach. Und wenn Du ihn verläßt, dann in Richtung Osten, weil Du nach Syrien zurückkehren wirst.“

Der König sagte nichts und tat keinen Mucks. Auch Gaius Popilius Laenas sagte nichts und tat keinen Mucks. Sein Gesicht zeigte dabei eine heitere und gelassene Miene, die für jedermann sichtbar war. König Antiochus Gesicht hingegen bedeckte ein gekräuselter, mit Draht durchflochtener Zerermonialbart, aber seine Erregung war im dennoch deutlich anzusehen. Die Zeit verstrich. Und dann drehte sich der mächtige König von Syrien, der immer noch in dem Kreis stand, nach Osten um. Er verließ den Kreis und marschierte mit seinen Soldaten nach Syrien zurück.
Im A & O das Geheimnis liegt - Omega siegt!
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Antike Reden und Legenden - von Hernes_Son - 07.04.12010, 19:44
Re: Antike Reden und Legenden - von Maurynna - 21.08.12010, 23:02
Re: Antike Reden und Legenden - von Hernes_Son - 15.12.12010, 21:37
Re: Antike Reden und Legenden - von Paganlord - 16.12.12010, 14:28

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