Priester und Germanen
#18
(06.06.12017, 10:16)Tobias schrieb: https://www.pagan-forum.de/post-52291.html#pid52291Aber wir können das ganze abkürzen. Es dürfte ja nicht so schwer sein, einen Nachweis für germanische Priester zu liefern. Auf irgendeinen der vielen Runensteine, einer der antiken bildlichen Darstellungen der Germanen, der archäologischen Funde, in der Edda oder sonst wo wird es doch sicherlich einen Beweis für germanische Priester zu finden geben. Das ist ja bei den ganzen anderen Kulturen (Kelten, Ägypter, Babyloner, Majas etc.) auch kein Problem.

Ich habe oben doch schon Namen von Priesterinnen geschrieben. Die sind historisch überliefert. Du kannst die auch gern bei Wikipedia nachlesen. Es ging nur darum, daß Du Seherin statt dessen sagtest (so wie die Kelten-Priester halt Druiden heißen). Demzufolge war auch Catbath (bei Cäsar) ein Druide und kein Priester? Diese Wortklauberei dient aber nur Deiner persönlichen Rechthaberei. Denn die heute zeitgemäße Bezeichnung ist Priester. (Du schreibst auch nicht, woran Du einen Unterschied zwischen Priesterin und Seherin festmachen willst? Geht auch nicht, denn das wäre persönlich und willkürlich und nicht zu belegen.)

Im Germanischen gab es für eine Priesterin viele Bezeichnungen: Völva ist die wohl bekannteste davon. Völva bedeutet wörtlich: Stabträgerin. (Hier kannst Du dann Deine Querverbindungen nach Ägypten ziehen.)

Germanien war jedoch anders organisiert als beispielsweise Ägypten. Von Stamm zu Stamm gab es hier regionale Unterschiede, während die Ägypter Staatsheiligtümer und (neben den regionalen Kulten) einen entsprechenden Reichskult pflegten. Das war den Germanen unbekannt.

Was Du machst, werter Tobias, ist schlechter Stil. Du stellst hier Behauptungen auf: "In Germanien gab es keine Priester" und verlangst, daß man Dir das Gegenteil beweise. Wenn Du eine Behauptung aufstellst, dann mußt Du es auch selbst beweisen. In dem Fall wäre es der Beweis: Warum Völvas und Seherinnen keine Priesterinnen sein sollen? Nur weil sie nicht der römischen Definition derselben entsprechen? Oder doch eher Deiner eigenen Definition?


Schauen wir doch mal, was Geschichte & Wissen (unter Bezugnahme auf Tacitus) dazu schreibt:

Priester, Priesterinnen und Seherinnen spielten in der religiösen Welt der Germanen, wie auch in der Politik des jeweiligen Stammes oder Stammesverbandes eine bedeutende Rolle. Obwohl die Quellenlage hierzu eher dürftig ist – hauptsächlich können wir uns nur auf die Überlieferungen des Römers Tacitus stützen, wird angenommen, daß hier keine so ausgesprochene Priester-Hierarchie wie durch die keltischen Druiden errichtet worden war. Vielmehr scheinen sich Rangstufen unter den Priestern der Germanen lediglich durch die Bedeutung des Thingplatzes ergeben zu haben (s. Tacitus, Germ. 12). Priester hatten auf dem Thing Befehlsgewalt, auch das Recht der Bestrafung stand ihnen zu (Germ. 11). So war es in Kriegszeiten nur dem Priester, nicht aber einem anderen Anführer erlaubt, jemanden zu fesseln, auszupeitschen oder gar hinzurichten, gleichsam auf Befehl der Gottheit, an deren hilfreiche Anwesenheit im Kampfe sie glauben (Tacitus, Germ. 7). Der sacerdos civitatis (Sacerdos = Priester) nahm offenbar die Kulthandlungen im Namen der gesamten civitas als rex sacrorum vor. Ein Priester ist jeweils für das Nerthus- und das Alcisheiligtum überliefert.

Und Du bist jetzt schlauer als die von Geschichte & Wissen und Tacitus zusammen? Oder was für einen Unfug willst Du uns hier verkaufen, werter Tobias? Ich nenne Dich einen Möchtegern, der sich selbst schlau tun möchte.  


Das PM-Magazin kennst Du sicherlich auch:

Im privaten Bereich betete der Familienvater beim Staborakel als Hauspriester zu den Göttern. Als Vorsteher eines Gau- oder Stammesheiligtums (sacerdos civitates) handhabte der Priester das offizielle Losorakel in Friedenszeiten in gleicher Weise wie der Familienvater.

Eingehüllt in einen weißen wollenen Umhang, steht ein Hermunduren-Priester in dem kleinen Heiligtum, das von einem Flechtwerkzaun umschlossen ist. Innerhalb des abgegrenzten Bezirks überragt die Einfriedung ein langer Stab aus Eichenholz, auf den der Schädel eines Rindes aufgespießt ist. Im Zentrum des Allerheiligsten steht ein Holzidol in Menschenform – Stellvertreter der Fruchtbarkeitsgöttin, der die Opferzeremonie gilt. Davor: ein rechteckiger Altar, etwa einen Meter hoch; er besteht wie der Zaun aus Weidengeflecht und ist mit Grassoden abgedeckt. Nur der Priester hat Zugang zu diesem heiligen Ort – mit seinem Kultstab weiht er den Pferdekopf auf dem Altar ... schreibt Günter Behm-Blancke vom Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens in Weimar, der zu Lebzeiten einer der angesehensten Archäologen der DDR war.


   
Der Runenstein von Drävle (Schweden)

Auf dem Runenstein ist dargestellt: Schwert, Ring und Horn sind die drei Schätze des Tyrs, die u. a. auf dem Runenstein von Drävle dargestellt werden. ... Dieser Ritualtrank wird auf dem Runenstein oben mitte-rechts von einem Priester im langen Gewand getragen.  

Was die Edden betrifft (die von Tobias benutzte Bezeichnung Edda ist nicht korrekt und beweist erneut seine Ahnungslosigkeit zum Thema), schreibt die Völuspa beispielsweise von der Priesterin Gullveig.


Oder wenn Du nach Regensburg in die Walhalla kommst, dann kannst Du Dir dort ein Bild der Priesterin Veleda (vom Stamm der Brukterer) ansehen.

   
Veleda-Gedenktafel, Walhalla, Regensburg, 1842, Gedenktafel Nr. 3

Veleda war eine Priesterin und Seherin vom Stamm der Brukterer. Veleda war die treibende Seele des Bataveraufstandes (69 n. d. Z.). Ihren Amtssitz hatte Veleda bei Lippstadt auf einem der Externsteine. Diese Ereignisse (69-70/71 n. d. Z.) führten Rom fast zum Verlust seiner Eroberungen im nördlichen Gallien und in Germanien. Daß der Rat einer Frau bei dieser waghalsigen Unternehmung (dem Aufstand gegen die Weltmacht Rom) eine so bedeutende Rolle innehatte, bezeugt die hohe Wertschätzung der Frau bei den Germanen ...


Zitat:Die Völva ist der altnordische Begriff für eine Seherin, Wahrsagerin, Hexe, Zauberin, Prophetin oder Schamanin. In der germanischen Mythologie ist sie auch als Wala bekannt. Eine Völva wird auch als Priesterin der Göttin Freya angesehen.


Die Gräber von weisen Frauen, Priesterinnen und Seherinnen

Bei archäologischen Ausgrabungen in Skandinavien entdeckte man bislang etwa 40 Frauengräber, in denen diese Stäbe gefunden wurden. Es wird vermutet, dass sie die Toten zu Lebzeiten als ein Attribut ihrer Autorität und magischen Berufung benutzt hatten.

Da es in diesen Gräbern immer weitere wertvolle Grabbeigaben gab, kann man aus diese aufwändige Bestattung schließen, dass die Völur (Plural von Völva) zur höchsten Stufe der Gesellschaft gehörte. Glaubte man bei der ersten Grabentdeckung noch, auf das Grab der Königin Åsa, der legendären Stammmutter der norwegischen Könige gestoßen zu sein, so kann man aus den zahlreichen Völva-Gräbern schließen, dass es weise Frauen, Priesterinnen und Seherinnen es wohl in jeder Gemeinschaft gab - vom kleinen Fischerdorf, über wohlhabende bäuerliche Sippen bis hin zu königlichen Höfen.

Zitat:In Strophe 22 der Völuspá, dem ersten Lied der Edden heißt es:

Man nannte sie Heiðr. Wo sie ins Haus kam. die weissagende Völva, verwendete sie Zauberstäbe. Sie trieb Seiðr, was sie konnte, Sie wandte die Sinne der Menschen zum Seiðr. Immer war sie angenehm

Das Wort Völva bedeutet eigentlich (ganz einfach übersetzt): Frau mit Stab. Den Stab nannte man auch: Völr. Er war ein Symbol der Macht. Im Falle der Völva symbolisiert er die Macht über das Übernatürliche. Das Königszepter und der Zauberstab sind Überbleibsel derselben Symbolik. Das altwestnordische Wort: Gandur bedeutet auf färöisch und isländisch sowohl: Stab als auch Zauberei.

Die Völven waren die Zauberinnen (Seiðr, Galster) und Seherinnen (Spá). Sie konnten sich in Ekstase versetzen und dann Einsichten in andere Welten gewinnen. Sie konnten diese Welten sogar besuchen und dort die Antworten auf Fragen suchen, die ihnen gestellt wurden.

Eine bekannte Völva der Edden ist Heiði. In der apokalyptischen Weissagung Völuspá (wörtlich: „Prophezeiung der Völva“) ist über diese Priesterin zu lesen.

Die männliche Entsprechung war der seiðmann oder fjölkunnigur (Zauberkundiger). Er genoss aber kein besonderes Ansehen. Die Verwendung von Zauber im Kampf galt als feige und unmännlich.

Weit verbreitet war dagegen die etwas schwächer begabte Spákona, „die Frau, die sieht“, eine Seherin. Von ihrem Ansehen und ihrem Auftreten gibt es eine Darstellung in der Geschichte von Erik dem Roten, die wegen ihrer Ausführlichkeit ein einzigartiges Dokument über die Stellung und Lebensweise einer Spákona ist.


   
Hier ist eine Nerthus-(Hertha)-Prozession dargestellt. Der Priester ist ebenfalls auf dem Bild zu sehen. Aber für Tobias natürlich nur ein alter Mann mit Bart, Stab und weißem Umhang, der gerade zufällig da im Bild herumsteht?

Du bist leicht zu widerlegen, Tobias. Letztlich macht sich alles daran fest, daß Du den Begriff: "Priesterin" in Bezug auf Germanien nicht verwenden möchtest. Das jedoch ist Deine persönliche Angelegenheit und keine allgemein gültige Weisheit. Es paßt nur so in Dein Weltbild, und alles, was dort nicht reinpaßt, das willst Du entsprechend passend reden. Deshalb dieser ganze Krampf hier – um einen einfachen Begriff.    

   
Hier sieht man die Priesterin Pogezana und den anreisenden Missionar, Brun von Querfurt (974-1009 n. d. Z.) auf einer frühmittelalterlichen Darstellung. Für Tobias wahrscheinlich nur eine Frau auf einem repräsentativen Stuhl, die einen Mann auf dem Pferd erwartet.
Entweder man findet einen Weg oder man schafft einen Weg!
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Priester und Germanen - von Tobias - 01.06.12017, 09:07
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